Herzog Eberhard I. im Bart von Württemberg (1445-1496)
In die 36-jährige Herrschaft Herzog Eberhards im Bart fallen die Wiedervereinigung des geteilten Württemberg, die Gründung der Landesuniversität Tübingen und die Erhebung der Grafschaft zum Herzogtum. Kaum ein anderer Regent Württembergs wird in der Historiographie vergleichbar positiv beurteilt.

Spätere Regenten Württembergs mussten sich stets an den Eigenschaften messen lassen, die man mit Graf Eberhard V., genannt im Bart, verband: Pragmatische Tatkraft, persönliche Bescheidenheit, Frömmigkeit und Volksnähe, die beispielsweise in der 1881 im Stuttgarter Schlossgarten aufgestellten „Eberhardsgruppe“ des Bildhauers Paul Müller dargestellt wird. Hierbei spielt freilich der Kontrast zu vorhergehenden und nachfolgenden Herrscherpersönlichkeiten eine Rolle, die aus Sicht der Landesgeschichtsschreibung durch besonders aufwendige Hofhaltung und politisch-militärische Abenteuer die Stabilität Württembergs tatsächlich oder vermeintlich gefährdet hatten.

Schon im jugendlichen Alter von 14 Jahren gelangte der einzige überlebende Sohn Graf Ludwigs I. 1459 an die Herrschaft über den Uracher Teil der seit 1441/42 geteilten Grafschaft Württemberg. Stark von seiner Mutter Mechthild von der Pfalz und deren Umfeld beeinflusst, musste der junge Graf eine eigenständige Position gegenüber seinem in Stuttgart residierenden Onkel Graf Ulrich V. dem „Vielgeliebten“ entwickeln, der von dort aus über seinen Landesteil herrschte. Besonders die Gründung der Universität in Tübingen 1477 in Eberhards bevorzugter Residenzstadt ist auf Mechthilds Anregungen zurückzuführen. In Tübingen ebenso wie in seiner Residenz Urach finden sich auch die ältesten Darstellungen von Eberhards Wahlspruch „Attempto!“ (Ich wage es) und seines Symbols, der Palme. Die Verbindung von Symbol und Wahlspruch stammt wohl von Vorbildern des italienischen Kulturraums ab und ist eher nicht im Kontext einer Pilgerreise Eberhards im Jahr 1468 nach Jerusalem entstanden.

Eberhards Gattin, Markgräfin Barbara Gonzaga von Mantua, stammte ebenfalls aus Italien – 1474 wurde diese politisch ambitionierte Ehe mit großen Feierlichkeiten in Urach geschlossen. Rein dynastisch gesehen erwies sich diese Verbindung jedoch als Misserfolg, denn bis auf eine 1475 bereits im Säuglingsalter verstorbene Tochter blieb sie kinderlos. Drei vor seiner Heirat mit unbekannten Frauen gezeugte Kinder wurden zwar später von Eberhard auf ihrem Lebensweg gefördert, konnten jedoch nicht Teil der württembergischen Erbfolge sein. Auch deshalb bezog er die württembergischen Landstände konsequent in seine Politik und Herrschaftspraxis ein, so beispielsweise als Garanten der im Münsinger Vertrag von 1482 vollzogenen Wiedervereinigung des geteilten Württemberg, in dem Stuttgart als württembergische Hauptresidenz festgelegt wurde. Gleichzeitig versuchte Eberhard, die Ambitionen seines nur zwei Jahre jüngeren gleichnamigen Vetters, Sohn des 1480 verstorbenen Ulrichs V., sowie dessen Bruders Heinrich zu unterdrücken. Letzterer wurde wegen „Geisteskrankheit“ durch Eberhard in Stuttgart gefangen genommen, entmündigt und auf dem Hohenurach inhaftiert. Heinrichs 1487 geborenen Sohn, den späteren Herzog Ulrich, ließ Eberhard an seinen Hof in Stuttgart bringen, den er 1485 von Urach in die dortige Wasserburg verlegt hatte, und dort zum Nachfolger erziehen.

Trotz der schwelenden Konkurrenzsituation sind die beiden Eberharde in den 1480er Jahren in Stuttgart gemeinsam als Aussteller von Urkunden belegbar, sowohl bei Immobiliengeschäften des Hauses Württemberg als auch in juristischen Fragen. Der Erwerb von mehreren Gärten in Stuttgart durch Eberhard im Bart und seine Gemahlin ist gleichfalls für die 1480er und frühen 1490er Jahre zu verzeichnen, darunter ein Baumgarten hinter dem Alten Schloß, den Barbara Gonzaga 1491 Elisabeth von Brandenburg, der Gattin Eberhards Vl., abkaufte. 1492 erließ Eberhard im Bart außerdem eine neue Gerichtsordnung für Stuttgart, das nach dem Tod Ulrichs V. unter einer erheblichen Schuldenlast litt, und führte dessen ambitionierte Bauprojekte in der württembergischen Hauptstadt fort, wie den Ausbau der Oberen Vorstadt und den Umbau der Stiftskirche. Trotzdem scheint besonders Tübingen weiterhin sein bevorzugter Aufenthaltsort gewesen zu sein.

In seiner meist recht zielorientierten, militärische Risiken vermeidenden Politik stützte sich Eberhard auf einen engen Kreis kompetenter und langjähriger Ratgeber. Darunter finden sich Adelige wie Georg von Ehingen und Hermann von Sachsenheim, aber auch bedeutende Gelehrte wie allen voran Eberhards Erzieher Johannes Naukler, erster Rektor und später über Jahrzehnte Kanzler der Tübinger Universität. Eberhard stand außerdem in regem Kontakt mit weiteren Humanisten und förderte, persönlich des Lateinischen nicht mächtig, Übersetzungen wissenschaftlicher Texte ins Deutsche. Dabei stand für den umtriebigen und bei seinen Standesgenossen hoch angesehenen Fürsten häufig der praktische Nutzen der Literatur im Vordergrund.

In religiösen Angelegenheiten und speziell bei der Kirchenreform vertraute der Württemberger seit den späten 1470er Jahren insbesondere auf den Theologen Gabriel Biel. Dieser erhielt unter anderem die Propstei über das durch die „Brüder vom Gemeinsamen Leben“ geführte Reformstift Einsiedel bei Kirchentellinsfurt, das Eberhard testamentarisch zu seiner letzten Ruhestätte bestimmt hatte. Auch als Förderer sakraler Bauwerke tat sich Eberhard hervor, wie bei der Tübinger Stiftskirche, der Uracher Amanduskirche oder der Martinskirche in Münsingen. Religiös wie wirtschaftlich motiviert war sichtlich seine zeittypische Judenfeindschaft: Bereits 1477 wurden die Juden im Kontext der Universitätsgründung aus Tübingen ausgewiesen, nach den 1480er Jahren sind auch keine Juden mehr in Stuttgart belegbar. In seiner reichhaltigen Bibliothek befand sich zudem eine für ihn angefertigte deutsche Übersetzung von Prozessakten aus der Ritualmordverfolgung gegen die Judengemeinde von Trient 1475. 1492 bestimmte Eberhards Testament schließlich die dauerhafte Ausschließung der Juden aus Württemberg – eine Bestimmung, auf die sich insbesondere die Landstände bis zum Ende des Alten Reichs konsequent beriefen.

Den Höhepunkt seiner Politik und seines Ansehens erfuhr Eberhard im Juli 1495 auf dem Reformreichstag in Worms, als Württemberg durch Maximilian I. zum Herzogtum erhoben wurde. Bald danach erließ der Herzog die erste Landesordnung für sein Territorium, was einen verstärkten Eingriff der Obrigkeit in die Lebens- und Arbeitswelten der Untertanen bedeutete. Die sozialen Spannungen, die Jahre später aus diesen landesherrlichen Modernisierungsmaßnahmen entstanden, erlebte Eberhard nicht mehr – am 25. Februar 1496 verstarb er, körperlich durch verschiedene Krankheiten schon lange geschwächt, im Tübinger Schloss. Sein Leichnam wurde zunächst im Stift St. Peter Einsiedel beigesetzt und später durch Herzog Ulrich im Zuge der Reformation in den Chor der Tübinger Stiftskirche überführt. Zum Gedenken an die 400-jährige Wiederkehr seines Regierungsantritts stellte man in Stuttgart 1859 im Hof des Neuen Schlosses ein monumentales Reiterstandbild Eberhards nach Entwürfen des Bildhauers Ludwig von Hofer auf. Wegen seines eher martialischen Charakters, den man allgemein doch weniger mit „Württembergs geliebten Herrn“ verband, entfernte man das Werk schon 1865 wieder von seinem ursprünglichen Standort und verbrachte es in den Hof des Alten Schlosses, wo es bis heute die Besucher des Württembergischen Landesmuseums empfängt.

Text: Stefan Lang
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

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Peter Rückert (Hg.), Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert, Stuttgart 2006.
Peter Rückert (Bearb.), Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof, Stuttgart 2012.

GND-Identifier: 11852853X
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Lang, Herzog Eberhard I. im Bart von Württemberg (1445-1496), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/06d34402-c0ad-49bf-aa57-2460d6b5275a/Herzog_Eberhard_I._im_Bart_von.html