Als Adolf Hölzel 1905 als Leiter einer Komponierklasse an die Königliche Akademie der bildenden Künste berufen wurde, konnte wohl niemand ahnen, dass mit ihm die Moderne in Stuttgart beginnen sollte. Der damals 52-jährige Maler, der bereits erste abstrakte Versuche unternommen hatte, war vor allem für seine impressionistisch-naturalistischen Landschaftsdarstellungen des Dachauer Moos nordöstlich von München bekannt. 1853 in Ölmütz/Mähren geboren zog Hölzel als Kind mit seiner Familie nach Wien, wo er zunächst eine Lehre zum Schriftsetzer machte, bevor er von 1876 bis 1882 die Königliche Akademie in München besuchte. 1892 gründete er in Dachau eine private Malschule, in der – zu damaliger Zeit durchaus ungewöhnlich – auch weibliche Studentinnen zugelassen waren.
In Dachau erarbeitete Hölzel sein grundlegendes pädagogisches Konzept, das er später in Stuttgart anwenden und weiterentwickeln sollte. Anders als seine Kollegen an den Akademien ließ Hölzel seine Schüler nicht nach Kupferstichen oder Gipsabgüssen kopieren, sondern ermutigte sie vielmehr zum Arbeiten im Freien. Auch lag ihm wenig daran, seine Schüler durch Korrekturen zu Epigonen seiner eigenen Kunst zu machen, sondern er förderte explizit den individuellen Stil seiner Studenten. Generell war Hölzel davon überzeugt, dass die Beherrschung der „künstlerischen Mittel“ – also der Formen und Farben – die Grundlage jeder guten Malerei und damit unbedingt lehr- und lernbar sei. Mit dieser auf dem Verstehen und Anwenden elementarer Farb- und Formlehren und nicht auf Nachahmung basierenden Pädagogik unterschied sich sein Unterricht maßgeblich von dem seiner Kollegen an der Akademie in Stuttgart, deren Lehrplan 1905 noch sehr konservativ war. Es verwundert daher nicht, dass sich in Hölzels Komponierklasse innerhalb weniger Monate ein Kreis fortschrittlich gesinnter Schüler zusammenfand, die in anderen Klassen häufig mit ihren Ideen aneckten. Zum sogenannten „Hölzel-Kreis“ gehörten neben Oskar Schlemmer, Willi Baumeister und Ida Kerkovius auch Johannes Itten, Hermann Stenner und Otto Meyer-Amden. Neben Hölzels fortschrittlicher Pädagogik waren es vor allem seine Persönlichkeit und die unbedingte Förderung seiner Schüler, die ihn zu einem äußerst beliebten und erfolgreichen Lehrer machten. 1912 reiste er mit seiner Klasse zur Sonderbundausstellung nach Köln und gab einen im folgenden Jahr erteilten Auftrag für die Gestaltung eines Wandbildfrieses in der Arkadenvorhalle der Deutschen Werkbundausstellung an seine Schüler Baumeister, Schlemmer und Stenner weiter.
Seine ungewöhnlichen Unterrichtsmethoden sowie seine eigene künstlerische Entwicklung hin zu einer abstrakten Malerei sorgten immer wieder für Unstimmigkeiten mit seinen Kollegen. Obwohl er 1916 zum Direktor der Stuttgarter Akademie der bildenden Künste ernannt worden war, konnte Hölzel die Auseinandersetzungen im Kollegium nicht beilegen und reichte bereits zwei Jahre später sein Entlassungsgesuch ein. 1919 ging er schließlich in den Ruhestand und bezog sein neues Wohnhaus in Degerloch, in dem sich heute die Adolf-Hölzel-Stiftung befindet. In den folgenden Jahren bis zu seinem Tod am 17. Oktober 1934 entwickelte Hölzel sein abstraktes und farbenreiches Spätwerk und war weiterhin privat als Kunstlehrer tätig.
Angeführt von Oskar Schlemmer und Willi Baumeister versuchten seine wegen seines plötzlichen Ausscheidens aufgebrachten Schüler, Hölzels moderne Ansätze an der Stuttgarter Akademie fortzusetzen, indem sie sich vehement für die Berufung Paul Klees einsetzten. Dieser Plan scheiterte allerdings und die Stuttgarter Akademie war wieder fest in konservativer Hand. Dennoch schuf Adolf Hölzel in den dreizehn Jahren an der Akademie einen wichtigen Grundstein für die Weiterentwicklung der Kunstpädagogik in Deutschland. Seine grundlegenden Methoden und Ansätze wurden von seinen Schülern Oskar Schlemmer und Johannes Itten am Bauhaus in Weimar und von Willi Baumeister an der Städel-Schule in Frankfurt und nach dem Zweiten Weltkrieg an der Stuttgarter Akademie weitergeführt.
Hölzels Kunsttheorie und seine Pädagogik waren aufs Engste miteinander verknüpft. Wie ein Wissenschaftler beobachtete und notierte er die Erkenntnisse, die ihm während der täglichen Arbeit auffielen, und versuchte, aus ihnen allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten im Zusammenspiel von Farbe und Form abzuleiten. Grundsätzlich verstand Hölzel das Bild als eine begrenzte zweidimensionale Fläche, auf der sich Formen und Farben zu einer harmonischen Gesamtkomposition zusammenfügen. Dabei war es für ihn unerheblich, ob es sich um eine figurative Darstellung oder ein ungegenständliches Bild handelte. In seinen frühen abstrakten Kompositionen, die um 1907 entstanden, orientierte Hölzel sich immer noch stark an figurativen, häufig biblischen Motiven, die er in den folgenden zehn Jahren jedoch zugunsten eines ungegenständlichen Malerei fast vollständig aufgab.
Immer wieder experimentierte Hölzel mit Materialien und Techniken. Um 1917 entstanden seine ersten Tubenbilder, in denen er die Farbe direkt aus der Tube auf den Karton drückte und seinen künstlerischen Impulsen auf diese Weise spontan Ausdruck verlieh. In einer Reihe kleinformatiger Collagen verwendete er neben Papierschnipseln auch Stoff und Aluminiumfolie. Die Collagetechnik wurde für Hölzel ein wichtiges Hilfsmittel für seine Auseinandersetzung mit der Glasmalerei. 1914 erhielt er den ersten Auftrag für den Entwurf der Glasfenster des Sitzungssaales der Bahlsen Keksfabrik in Hannover. Hölzel entwarf ein farbenfrohes Mosaik aus einzelnen farbigen Glasschreiben, die er wie in einer Collage zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügte. Für die Entwicklung seiner Entwürfe verwendete Hölzel farbiges Transparentpapier, das er zum Teil überlappend gegen das Licht hielt, um den Farbeffekt des fertigen Fensters zu simulieren. 1928 entwarf Hölzel drei Glasfenster für das Stuttgarter Rathaus. Da seine Kunst unter den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert wurde, entfernte man die Glasfenster anlässlich eines Besuches Adolf Hitlers in Stuttgart 1937/38 und verkaufte sie anschließend. Ein Teil der Glasfenster konnte später zurückerworben und aus originalen Scheiben rekonstruiert werden, sie befinden sich heute im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart. Repliken der Glasfenster, die Hölzel 1932 für die Pelikan-Werke in Hannover entworfen hatte, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im Stuttgarter Rathaus eingebaut und befinden sich heute im Kunstmuseum Stuttgart. Dort werden auch die Fenster aufbewahrt, die er 1934 für die Firma J. F. Maercklin in Stuttgart entworfen hatte.
Obwohl sich keines der Glasfenster heute an seinem Originalstandort befindet und Hölzel in Stuttgart keine großen Wandbilder, wie etwa den „Gekreuzigten“ in der Paulskirche in Ulm, hinterlassen hat, lassen sich Spuren seines Lebens und Werks an zahlreichen Orten der Stadt finden. Seine Arbeiten befinden sich in den Sammlungen des Kunstmuseums Stuttgart, der Staatsgalerie und des Landesmuseums Württemberg und werden in den Dauerausstellungen regelmäßig präsentiert. 2009 zeigte das Kunstmuseum Stuttgart in Kooperation mit dem Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine umfassende Retrospektive seiner Werke. In der Adolf-Hölzel-Stiftung in Degerloch können nicht nur Forscher, sondern auch interessierte Besucher während der öffentlichen Führungen Einblick in den Nachlass und das Leben dieses bedeutenden Stuttgarter Malers bekommen.