Hugo Albert Borst wurde am 13. Januar 1881 in Göppingen als Sohn eines Kaufmanns geboren. Er wuchs in Esslingen auf und trat nach einer kaufmännischen Lehre mit 19 Jahren in die Firma seines Onkels, Robert Bosch, ein. Von 1904 bis 1906 hielt er sich in den USA auf, um sich beruflich weiterzubilden. Seit 1918 war er Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. Nach seiner Rückkehr war Borst für den Ausbau der ausländischen Vertretungen und der deutschen Verkaufshäuser sowie für die Werbung des Hauses Bosch zuständig. Dafür holte er den Grafiker und Typographen Lucian Bernhard (1883-1972) ins Haus, der das bis heute bekannte Markenlogo des „Boschzünders“ entwickelte. 1907 heiratete Borst Martha Jäckh, mit der er eine Familie gründete. Zusammen bauten sie in den folgenden Jahren eine umfangreiche Kunstsammlung auf.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden zahlreiche Filialen der Firma Bosch im Ausland als deutsches Feindvermögen beschlagnahmt; Borst führte für seinen Onkel die Verhandlungen über die Rückgabe oder den Neuaufbau im Ausland. Er stieg zum kaufmännischen Direktor auf und wurde 1917 Mitglied im Vorstand und Aufsichtsrat der Bosch Metallwerk AG.
1925/26 erlebte Robert Bosch eine wirtschaftliche und persönliche Krise; er trennte sich von seinen Neffen Hugo Borst und Hermann Bosch und reduzierte den Vorstand von elf auf sechs Mitglieder. Hugo Borst machte sich daraufhin selbständig, verwaltete seine Immobilien und wurde 1930 Kommanditist der Heilbronner Maschinenbaufabrik Eugen Weisser. Von 1922 bis Juli 1944 wohnte er im Gähkopf 3 in Stuttgart. In dieser Zeit baute er seine Kunstsammlung auf etwa 600 Kunstwerke aus und richtete dort auch sieben Ausstellungsräume für seine Sammlungen ein.
Borst begann bereits während des Ersten Weltkrieges, Kunstwerke zu sammeln; dabei konzentrierte er sich bewusst auf Werke noch lebender Künstler aus Deutschland und Frankreich, die in den öffentlichen Sammlungen in Stuttgart damals nicht vertreten waren. Beraten wurde Hugo Borst von Otto Fischer, dem Direktor der Württembergischen Kunstsammlungen bis 1929. Dieser überredete ihn 1927, Vorsitzender des Galerievereins, des Freundeskreises des Museums, zu werden. Er behielt diese Position bis 1948.
Hugo Borst war nicht nur Kunst- und Buchsammler, er war auch Mitglied im Deutschen Werkbund in Stuttgart und in der „Gesellschaft der Bibliophilen“. Neben Kunstwerken sammelte er 12.000 Bände mit Erstausgaben aus den Bereichen Geisteswissenschaften, Recht, Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Die Kunstsammlung hatte mehrere Schwerpunkte: Vor allem sammelte er Werke aus dem „schwäbisch-alemannischen Kulturraum“, wie er es selbst bezeichnete, d.h. zeitgenössische Künstler aus Stuttgart und der Schweiz; darunter befanden sich z.B. Werke von Cuno Amiet, Heinrich Altherr, Reinhold Nägele, Oskar Schlemmer, Adolph Hölzel, Willi Baumeister, Max Beckmann und Paul Klee. Bei den Stuttgarter Künstlern handelte es sich um Vertreter der 1923 gegründeten Stuttgarter Sezession, deren Ausstellungen Borst auch finanziell unterstützte.
Den Künstler Reinhold Nägele lernte Borst 1912 im Stuttgarter Kunsthaus Schaller kennen, wo er häufig Kunde war und z.B. Werke von Paula Modersohn-Becker erwarb. Das erste Werk, das er von Nägele selbst kaufte, war das 1914 entstandene Gemälde „Bosch-Lazarett“. Nägeles Bruder war dort als Arzt tätig gewesen, sodass der Künstler Zugang zum Lazarett hatte. Borst besaß insgesamt 70 Gemälde sowie 60 Hinterglasbilder von Nägele; letztere gingen allerdings 1944 bei der Zerstörung seines Hauses zu Bruch. Borst gab auch selbst Werke bei ihm in Auftrag, z.B. eine Darstellung der Stuttgarter Sezession 1928 und der Weißenhofsiedlung.
Dieser Sammlungsschwerpunkt wurde ergänzt durch eine zahlenmäßig geringere, aber sehr qualitätvolle Auswahl an deutschen expressionistischen Werken sowie zeitgenössischer Kunst der Pariser Schule, die er bei einem längeren Aufenthalt in Paris 1928 erworben hatte.
Hugo Borst suchte den direkten Kontakt zu Künstlern wie Willi Baumeister, Karl Hofer, Oskar Schlemmer und Paul Klee und trat auch als Mäzen auf. Enge Beziehungen unterhielt er z.B. zu dem Maler Theodor Werner, den er über die Stuttgarter Künstlerin Käte Schaller-Härlin kennengelernt hatte. Borst besuchte ihn regelmäßig in seinem Atelier und erwarb insgesamt 25 frühe gegenständliche Werke von ihm. Dem Bildhauer Wilhelm Fehrle wiederum gab Borst ein Darlehen von 10.000 Mark für ein Atelier und ließ sich den Betrag in Plastiken „zurückzahlen“. Bernhard Pankok, den er vom Werkbund her kannte, suchte ihn auf und bat um finanzielle Unterstützung für die Stuttgarter Sezession. Dafür malte Pankok ein großformatiges Porträt von Borst, das leider im Zweiten Weltkrieg verbrannte. Oskar Schlemmer unterstützte er, indem er ihm Aufträge bei sich und anderen verschaffte: Schlemmer stellte Wandmalereien für das Esszimmer der Familie Borst her.
Einen Großteil seiner Sammlung hat Hugo Borst nachweislich bereits vor 1931 erworben. Dies geht aus dem kleinen Katalog hervor, den er 1931 zur Eröffnung seines „Künstlerhauses Sonnenhalde“ mit Fotos der Innenansichten publizierte. Im selben Jahr erschienen auch in mehreren Kunstzeitschriften Artikel über diese ungewöhnliche Sammlung, die nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. „Stuttgart voraus!“ überschrieb der Berliner Kunsthistoriker und Direktor der Nationalgalerie Berlin, Ludwig Justi (1876-1957), seinen begeisterten Bericht über die Sammlung Borst.
Das Besondere an dieser Privatsammlung war, dass sie von 1929 bis 1943 jeweils samstags nachmittags für die Öffentlichkeit zugänglich war. Selbst in der Zeit des Nationalsozialismus konnte man hier Kunstwerke sehen, die im Deutschen Reich als „entartet“ diffamiert und zu Tausenden aus deutschen Museen ausgesondert wurden. Es gab auch andere Privatsammler, die weiterhin „verfemte“ Werke in dieser Zeit kauften, aber keinen, der sie so unbekümmert in der Öffentlichkeit zeigte. So lud Borst 1938 die Weimarer „Gesellschaft der Bibliophilen“ in sein Haus nach Stuttgart ein und zeigte sowohl seine Erstausgaben als auch seine Kunstsammlung. 1942 führte er den nationalsozialistischen Oberbürgermeister Karl Strölin persönlich durch seine Räume, ohne dass ihm daraus unangenehme Konsequenzen erwuchsen. Strölin lobte in seinem Tagebuch die „sehr schöne Bildersammlung“.
Auch wenn Hugo Borst von politischer Verfolgung persönlich nicht betroffen war, so erlebte er im engsten Bekanntenkreis durchaus Verfolgungsmaßnahmen: Sein Schwager Ernst Jäckh, Vorsitzender des Werkbundes 1932/33, musste 1933 aus politischen Gründen zunächst nach London, dann nach New York fliehen. Reinhold Nägele, der mit einer jüdischen Ehefrau verheiratet war, emigrierte 1939 in die USA. Durch seine Tätigkeit im Galerieverein hat Borst auch sicherlich Kenntnis von den Beschlagnahmungen „Entarteter Kunst“ in der Staatsgalerie Stuttgart erhalten.
Durch Luftangriffe wurde Borsts Haus im Juli 1944 stark beschädigt. Hugo Borst bezog daraufhin eine Wohnung in Stuttgart-Vaihingen, Himmelweg 12. Zwar hatte er den Großteil seiner Sammlung auslagern und damit retten können. Doch hatte er Mühe, den Bau wieder instand setzen zu lassen, da ihm sowohl die finanziellen Mittel als auch die Baumaterialien fehlten. Architekturpläne im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zeigen, dass er 1945 einen Umbau mit 16 Ausstellungsräumen plante, der nur zum Teil realisiert werden konnte. Von 1946 bis 1949 übernahm der Württembergische Kunstverein sieben Galerieräume als Mieter; Hugo Borst bewohnte eine 4-Zimmer-Wohnung im 1. Stock. Schließlich konnte er 1951 alle Wohnräume beziehen und 1952 das „Künstlerhaus Sonnenhalde“ wiedereröffnen.
1949 schlug Hugo Borst der amerikanischen Besatzungsmacht vor, eine „Schweizer Ausstellung“ in Stuttgart mit Werken aus seiner Sammlung zu organisieren. Parallel dazu wurde eine „Schweizer Woche“ veranstaltet mit weiteren Ausstellungen in der Landesbibliothek, im Landesgewerbemuseum („Das Schweizer Plakat“), in der Staatsgalerie Stuttgart („Schweizer Malerei der Gegenwart“) und im Württembergischen Kunstverein („Gedächtnisausstellung Heinrich Altherr“). Zusätzlich fand die deutsche Erstaufführung eines Stückes von Max Frisch mit dem passenden Titel „Als der Krieg zu Ende war“ statt, die vom Zürcher Schauspielhaus in der Urbesetzung aufgeführt wurde, sowie eine Uraufführung des Stückes „Die chinesische Mauer“ von Max Frisch im Kammertheater. Damit hat Hugo Borst erheblich dazu beigetragen, das beschädigte Ansehen Deutschlands nach 1945 in der Schweiz zu heben. Die „Schweizer Woche“ wurde sehr positiv aufgenommen und als ein Zeichen für die zukünftige Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz gewertet.
1967 nahm Hugo Borst Kontakt mit der Staatsgalerie Stuttgart auf und bot seine Kunstsammlung zum Ankauf an. Kurz darauf verstarb er. Die Erben schlugen der Staatsgalerie vor, den Kunstexperten Wilhelm Friedrich Arntz (1903-1985) mit einem unabhängigen Gutachten zum Wert der Sammlung zu beauftragen. 1968 erwarb die Staatsgalerie 364 Gemälde, Grafiken und Plastiken für 2,6 Millionen D-Mark.
Bereits beim Ankauf war dem zuständigen Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg bewusst, dass womöglich einzelne Werke Gegenstand von Restitutionsverfahren sein könnten. Sie versuchten, im Kaufvertrag eine Klausel einzuführen, die sie von Ansprüchen Dritter befreite. Der Passus wurde auf Anraten des Direktors der Staatsgalerie, Erwin Petermann, gestrichen, nachdem die Erben versichert hatten, dass ein aktueller Anspruch nicht vorliege und ein neuer Anspruch nicht mehr gestellt werden könne, da die Fristen bereits abgelaufen seien.
1969 erwarb die Württembergische Landesbibliothek Borsts Bibliothek mit Erstausgaben von 1749 bis 1899. 1970 wurde die Sammlung Hugo Borst einschließlich der Werke, die in Familienbesitz geblieben waren, in der Staatsgalerie erstmals ausgestellt. Seit 2018 befindet sich der schriftliche Nachlass von Hugo Borst im Hauptstaatsarchiv Stuttgart.