Der Cannstatter Wasen, seit 2005 Teil des NeckarPark Stuttgart, ist ein Freizeit- und Vergnügungsareal im Stadtteil Bad Cannstatt, auf dem das Cannstatter Volksfest stattfindet und zahlreiche sportliche und kulturelle Großveranstaltungen abgehalten werden.

Der Name Cannstatter Wasen bezeichnet nach Jürgen Hagel „die grünen Ufer eines Flusses“, hier meint es die Wiesen in der Nähe der Siedlung Cannstatt. Diese dem Fluss zugewandten Wiesen dienten zum einen als Überschwemmungsgebiet für den Neckar, wenn dieser über die Ufer trat. Zum anderen wurden die Wiesen landwirtschaftlich genutzt, in dem sie in der frühen Neuzeit auch künstlich gewässert wurden. Dazu wurde seit 1501 über einen Kanal Wasser vom Neckar auf den Wasen geleitet, um Nährstoffe aus dem Flusswasser auf die Wiesen zu bringen und so den Ertrag zu steigern, die Dauer des Bodenfrostes zu verkürzen und etwaiges Ungeziefer zu beseitigen. Bis ins späte 18. Jahrhundert scheint dies übliche Praxis gewesen zu sein. Spätestens aber mit der Neckarregulierung in den 1820er Jahren wurde das Wiesenwässern ganz eingestellt. Auch das Handwerk nutzte den „Sailerwasen“: die Wiesen eigneten sich aufgrund des ebenen Untergrundes und ihrer Länge dazu, den Sailern die Herstellung von Seilen zu ermöglichen. Nachweislich seit 1591 wurde eben der „Sailerwasen“ dafür verwendet.

Der Cannstatter Wasen erfuhr 1817 eine prägende Veränderung: der württembergische König Wilhelm I. beschloss auf den weitestgehend ungenutzten Wiesen einen militärischen Exerzierplatz für die Stuttgarter Garnison einzurichten und tauschte dazu mit der Stadt Cannstatt Wiesen, Geld- und Zehntgefälle. Von 1819 bis 1928 übten auf dem Cannstatter Exerzierplatz die württembergischen Truppen. Vor allem die praktische Ausbildung der Soldaten wurde auf dem neugeschaffenen Platz durchgeführt, nachdem Stuttgart der Garnison keine geeigneten Flächen dafür bieten konnte. Nach Stuttgart kamen auch die Soldaten aus Ludwigsburg und nach der Einrichtung der Garnison Cannstatt auch diese auf den nahegelegenen Wasen.

Das ebene und durch Brücken über den Neckar erschlossene Gelände bot darüber hinaus auch Platz für Großveranstaltungen. König Wilhelm hatte bereits in seiner Verfügung zur Einrichtung des Exerzierplatzes darauf geachtet, dass der Platz an zivile Stellen und Personen vermietet werden konnte. Das berühmteste und bis heute bekannteste Fest, das regelmäßig auf dem Wasen stattfindet, ist das Cannstatter Volksfest. Seit 1818 wird dort als Erinnerung an den ersten nach der großen Hungersnot 1816/17 nach Stuttgart gekommenen Erntewagen dieses Fest veranstaltet. Das Cannstatter Volksfest entwickelte sich mit dem gleichzeitig stattfindenden Landwirtschaftlichen Hauptfest, das als große Leistungsschau der württembergischen Landwirtschaft Impulse geben sollte und durch das gezielte Vorführen von neuen Methoden des Landbaus und Möglichkeiten der Viehzucht die Erträge steigern sollte. Heute ist das Cannstatter Volksfest nach dem Münchener Oktoberfest die zweitgrößte Veranstaltung dieser Art in der Welt und ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für die Region.

Neben dem Cannstatter Volksfest fanden zahlreiche Ausstellungen und Messen auf dem Gebiet des Wasens statt, so 1907 ein Treffen im Umfeld des VII. Sozialistenkongresses mit 60.000 Besuchern. Auch Flugerprobungen durch Flugpioniere und erste Schaufliegen sowie der Besuch von Zeppelinluftschiffen lockten zehntausende Schaulustige an das Neckarufer. Ebenfalls gut besucht waren die durch die Anwesenheit des Kaisers geadelten „Kaisermanöver“, die 1899 und 1909 in Stuttgart stattfanden. Über mehrere Wochen diente der Exerzierplatz mit eigens aufgestellten großen Bühnen weniger der militärischen Praxis als der öffentlichen Belustigung der Stadtbevölkerung.

Zivilisten nutzten zunehmend ab 1890 den Platz, um dort zu reiten, am Ufer des Neckars schwimmen zu lernen oder als Mitglieder des Aquarien- und Terrarienvereins Stuttgart dort ansässige Tiere und Pflanzen zu sammeln. 1893 wurde der Exerzierplatz zwar noch einmal wesentlich vergrößert, aber durch die Anlage des Truppenübungsplatzes in Münsingen nur noch durch die ortsansässigen Garnisonen verwendet und zugleich durch die zahlreichen sonstigen Nutzungsarten und Veranstaltungen für das Militär nahezu unbrauchbar. Insbesondere das Fußballspiel, dessen Popularität in Stuttgart in den 1890er Jahren sprunghaft zunahm, zog viele Zuschauer am Wochenende auf den Exerzierplatz. Hier spielte auch der Kronenclub Cannstatt, der 1912 mit dem Fußballverein Stuttgart zum VfB Stuttgart fusionierte. Für diesen Fußballverein, mehr noch aber für die zahlreichen Turn- und Sportvereine und für zentrale Großveranstaltungen wie die in dieser Zeit äußerst populären Boxkämpfe plante die Stadt Stuttgart, mit der Cannstatt bereits 1905 vereinigt worden war, anlässlich des Turnfestes 1933 die Errichtung eines großen Sportstadions. Als Architekt gewann man den in Stuttgart bereits sehr bekannten Architekten Paul Bonatz, der nicht nur das Empfangsgebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofes, sondern auch mehrere Villen und Brückenbauwerke geplant und gebaut hatte. Das neu erbaute Stadion trug zunächst den Namen Adolf-Hitler-Kampfbahn und fasste 1935 schon 70.000 Zuschauer. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges firmierte das Stadion unter dem Namen Century Stadium, in das 1949 beim Endspiel um die Fußballmeisterschaft 92.000 Zuschauer das Spiel verfolgten. Im selben Jahr erhielt die Arena den Namen Neckarstadion, hier fanden Spiele der Fußballweltmeisterschaften 1974 und 2006, die Leichtathletikweltmeisterschaft 1993 und bis heute zahlreiche weitere Musik- und Sportgroßveranstaltungen statt. 1993 wurde das Stadion in Gottlieb-Daimler-Stadion umbenannt. Seit 2008 kennt man das wiederholt umgebaute und renovierte Stadion als Mercedes-Benz Arena, die mit rund 60.000 Plätzen mit den Zuschauerrekorden aus der Mitte des 20. Jahrhunderts allerdings nicht mithalten kann.

Die mit der Freizeitkultur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erforderlichen großen Hallen wurden ebenfalls auf dem Gelände des Cannstatter Wasens erbaut. 1983 wurde neben dem Stadion die Hanns-Martin-Schleyer-Halle fertiggestellt. In dieser finden seit 1985 jährlich das German Masters statt, eines der größten Reitturniere Deutschlands, sowie regelmäßig Konzerte und Shows. 2006 entstanden als Erweiterung der Schleyerhalle die Porsche-Arena, nach dem Umbau des Stadions zur reinen Fußballarena folgte 2011 die Scharrena, so dass nun Veranstaltungen jeglicher Größe auf dem Gelände ausgerichtet werden können.

Die Verdichtung und die neue Bebauung des Cannstatter Wasens und seiner unmittelbaren Umgebung mit dem Werksmuseum „Mercedes-Benz Welt“, dem Nachwuchszentrum und der Reha-Welt des VfB Stuttgart und dem Stuttgarter Stadtarchiv führte 2005 schließlich zur Umbenennung des Geländes in „NeckarPark“. Dieser entwickelt sich zu einem eigenständigen Freizeitareal, auf dem das Stuttgarter Frühlingsfest, das Cannstatter Volksfest, und jährliche Großveranstaltungen wie der Stuttgarter Weltweihnachtszirkus oder der Stuttgartlauf stattfinden.

Text: Daniel Kuhn
Schlagwort: Stuttgart-Bad Cannstatt
Quellenhinweise:

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, M 32 Bü 26, Exerzierplätze generalia, 11. Juni 1885.

Literaturhinweise:

Jürgen Hagel, Cannstatt und seine Geschichte, Tübingen 2002.
Andrea Hartl, Oktoberfest und Cannstatter Volksfest – Vom Nationalfest zum Massenvergnügen, München 2010.
Gerhard Hörner, Auf Ballhöhe. Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit. Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart, Filderstadt 2006.
Daniel Kirn, Soldatenleben in Württemberg 1871-1914. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des deutschen Militärs (Krieg in der Geschichte, Bd. 46), Paderborn 2009.
Daniel Kuhn, Württembergische Fluggeschichte von 1914 bis 1945, in: ZWLG 75 (2016), S. 223-246.
Königlich Statistisches Landesamt (Hg.), Beschreibung des Oberamts Cannstatt, Stuttgart 1895.
Stuttgart Marketing GmbH (Hg.), Der NeckarPark Stuttgart, Stuttgart 2007.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Kuhn, Cannstatter Wasen, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/1a01d737-c874-463a-982c-a4e2ff3f65e8/Cannstatter_Wasen.html