Dort, wo in Stuttgart sein Wohnhaus stand, erinnert heute an der Ecke Kanzlei-/Hospitalstraße lediglich eine Tafel an den Baumeister und Spezialisten für technische Anlagen. Erbaut hatte es Heinrich Schickhardt 1596 bis 1602, nachdem der Herzog ihm den Bauplatz zugewiesen hatte. „Diese Behausung hab mit Gottes gnediger Hilff und freywilliger Begabung von Hertzog Friderich ich Heinrich Schickhardt Anno 1596 zu Stuttgart bey dem Bauwhof von Grund auf new erbaut“, hat er kurz vor seinem Tod in seinen Aufzeichnungen über sein Lebenswerk festgehalten. Diese hat er – nicht ohne Eitelkeit – unter dem Titel „Ohngevare Verzaichnus, was mitt Gottes gnediger Hilff ich Heinrich Schickhardt innerhalb viertzig Jaren in- und auserhalb lands bis anno 1632 gebaut hab“ von eigener Hand sorgfältig niedergeschrieben und farbig illustriert. Das Haus wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört; die Reste hat man 1960 abgebrochen. Im Lapidarium der Stadt Stuttgart ist der Eingang in Gestalt eines Torbogens erhalten; im Stadtarchiv befindet sich eine kolorierte Federzeichnung aus dem 19. Jahrhundert.
Auch das architektonisch bedeutsamste und schon bei den Zeitgenossen prominenteste Gebäude Schickhardts ist untergegangen und lebt nur in bildlichen Darstellungen fort: der Neue Bau in Stuttgart, dessen Grundstein am 16. März 1599 neben dem Alten Schloss gelegt wurde, um dort, wo heute die Markthalle steht, unter Schickhardts Leitung einen Renaissancebau entstehen zu lassen, der im Erdgeschoss als Marstall diente und darüber einen Festsaal bot; in den oberen Geschossen waren die herzogliche Rüstkammer und das Kunstkabinett untergebracht. Nachdem das Gebäude 1757 abgebrannt war, wurden die Ruinen 1778 abgebrochen.
Spuren Schickhardts sind gleichwohl noch im Umfeld des Alten Schlosses erhalten. Die heutige Gestalt des Schillerplatzes geht auf ihn zurück, denn 1596 setzte er den Wunsch Herzog Friedrichs I. von Württemberg um, vor dem Schloss Häuser abzureißen, um Raum für einen großzügigen Platz zu schaffen. An dessen Rand gab er dem Fruchtkasten eine neue Renaissancefassade und setzte die Front des Gebäudes um etwa fünf Meter in eine gemeinsame Fluchtlinie mit der Stiftskirche zurück. Daneben entstanden nach seinen Plänen (im doppelten Wortsinn) die ältesten Teile des 1604 als Gesandtenbau projektierten Prinzenbaus, dessen Fertigstellung sich jedoch bis 1663 verzögerte. Da waren Schickhardt und Herzog Friedrich I., der ihn mit dem Bau beauftragt hatte, bereits verstorben. Das Gebäude sollte in seiner Geschichte dann auch ganz anderen Zwecken als der Unterbringung von Gesandten dienen. Heute residiert darin das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg.
Schon in jungen Jahren war Schickhardt nach Stuttgart gekommen. Am Neuen Lusthaus, das der herzogliche Baumeister Georg Beer ab 1581 für Herzog Ludwig erbaute, war er als Gehilfe („Diener“) des Baumeisters beteiligt, ohne dass die Dimension seines Anteils näher überliefert ist.
Kann man sein Wirken als Architekt und Baumeister im Umfeld des herrschaftlichen Schlosses insgesamt relativ gut einschätzen, liegen zu den privaten Bauvorhaben, an denen er in Stuttgart beteiligt war, nur wenige Daten vor. Die Auftraggeber waren meist Stuttgarter Bürger und Amtspersonen; es finden sich darunter ein Apotheker, ein Sekretär, ein Kammerrat und der Hofprediger. Insgesamt sind in Schickhardts Inventar unter der Rubrik „Stutart heiser gebaut“ 13 Projekte genannt, wobei sein eigenes Haus mit eingerechnet ist und sein Part sich manchmal in der Fertigung eines Aufrisses erschöpfte oder nur auf Teilbereiche an Gebäuden in Gestalt etwa einer Unterkellerung beschränkte.
Überhaupt war die Tätigkeit Schickhardts im Dienste der württembergischen Landesherrschaft stark von der kontinuierlichen Mitwirkung am Bauunterhalt und vielen eher kleinen, häufig durchaus auch banalen Alltagsprojekten geprägt. In Stuttgart hat er an den Stadttoren Verbesserungen vorgenommen, am Schlossgraben und an der Stiftskirche neue Kramläden hingestellt und auf dem oberen Schlossplatz das „Schöpfbrünnlein“ neu erbaut. Erwähnung verdienen auch seine Maßnahmen im Wasserbau. So hat er Pläne sowohl zur Wasserversorgung wie auch zum Abwassersystem der Stadt erstellt.
In Cannstatt war er 1612/13 an der Aufstockung des Turms der Stadtkirche um zwei Geschosse beteiligt, in Degerloch hat man ihn 1621 mit der Erweiterung und dem Umbau der Kirche beauftragt. Hier deutet sich schon an, dass Schickhardt nicht nur in Stuttgart tätig war. Im heutigen Stadtgebiet ist noch das gut erhaltene Schloss in Stammheim zu erwähnen, das er 1579 – noch als Gehilfe des Landbaumeisters Beer – als niederadeligen Landsitz für Hans Wolf von Stammheim konzipierte.
In diesen Jahren stand er ganz am Anfang seiner Karriere, für die der Abschnitt bei Georg Beer, in dessen Dienste er 1578 getreten war, als Sprungbrett zu sehen ist. Sie führte ihn bald in alle Teile Württembergs, einschließlich der linksrheinischen Besitzungen, und darüber hinaus.
Geboren wurde Heinrich Schickhardt in Herrenberg. Die Familie war aus Siegen zugewandert. Sein Großvater Heinrich hatte in Herrenberg das Chorgestühl in der Stiftskirche geschnitzt, bei seinem Vater Lukas (Laux) absolvierte er eine Schreinerlehre; als Gesellenstück fertigte er eine hölzerne Truhe. Wohl über die Fertigung von „Visierungen“, also Modellen aus Holz, geriet er in Kontakt mit Baumeistern.
Neben der Tätigkeit für Georg Beer, mit dem er u.a. 1590 die niedergebrannte Stadt Schiltach neu erbaute, sollte sich für ihn der 1593 erfolgte Herrschaftsantritt Herzog Friedrichs I. aus der Mömpelgarder Linie des Hauses Württemberg als besonders bedeutsam erweisen. Denn Friedrich I. beauftragte ihn mit dem Ausbau der Residenzstadt Mömpelgard (Montbéliard) und sodann immer wieder – neben zahlreichen Baumaßnahmen, einschließlich des Straßen- und Brückenbaus – mit besonders ambitionierten Projekten, wie etwa der Anlage der neuen Planstadt Freudenstadt im Schwarzwald oder dem Bau eines herrschaftlichen Schlosses in Calw. Der Herzog nahm seinen favorisierten Baumeister auch in den Jahren 1599/1600 mit auf eine Reise nach Italien, auf der Schickhardt Tagebücher mit Skizzen von Gebäuden und technischen Anlage führte, die tiefe Einblicke in seinen Wahrnehmungshorizont geben. Technischen Konstruktionen und Verfahren galt das spezielle Interesse Schickhardts, der in vielfacher Hinsicht vom Herzog zu merkantilistisch geprägten Vorhaben herangezogen wurde, mit denen dieser die Wirtschaft in seinem Land voranbringen wollte – angefangen beim Mühlenbau über die Salzgewinnung und den Abbau von Erzen bis hin zur Schiffbarmachung des Neckars zwischen Stuttgart und Heilbronn. Letztere wurde freilich ebenso wenig realisiert wie das Schloss in Calw oder der vorgesehene Schlossbau auf dem Marktplatz in Freudenstadt.
Der Tod des Herzogs 1608 stellte zweifelsohne eine zweite gravierende Zäsur im Leben Schickhardts dar. Zwar ernannte ihn Friedrichs Sohn und Nachfolger Johann Friedrich nun zum Landbaumeister und Schickhardt blieb viel beschäftigt, die Großprojekte wurden aber – nicht zuletzt unter den veränderten Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges – eingestellt.
Die kaum zu überschauende Vielzahl seiner Auftraggeber und Wirkungsorte wie auch die Breite seiner Tätigkeitsfelder hat Wilfried Setzler einmal wie folgt zusammenzufasst: „Wie kaum ein anderer hat Heinrich Schickhardt ein halbes Jahrhundert lang als Architekt und Ingenieur das ‚äußere Gesicht‘ des Herzogtums Württemberg samt der Grafschaft Mömpelgard geprägt: seine Infrastruktur ausgebaut, seine Städte gestaltet, seine Baukunst bestimmt. Als Stadtplaner entwickelte er Stadtteile wie in Mömpelgard, schuf ganze Städte aus dem Nichts wie Freudenstadt oder ‚ordnete‘ abgebrannte Städte neu. Als württembergischer Landbaumeister entwarf, plante, fertigte und renovierte er Festungen, Schlösser, Schulen, Pfarrhäuser, Kirchen, Bäder, Lustgärten, Amtsbehausungen, Maierhöfe, Bürgerhäuser, Fruchtkästen, Zehntscheuern, Viehhäuser, Stallungen, Keller, aber auch Brunnen, Brücken, Mühlen, Schieden, Backöfen, Bergwerke, Münzstätten, Salinen, Kalk-, Ziegel und Backsteinöfen, Pressen, Wasserleitungen, Seen, Straßen, Wege. Zudem regulierte und kanalisierte er Flüsse und Bäche, befasste sich mit Kartographie, Grenz- und Feldmessung, suchte nach Torf und Steinkohle, widmete sich der Erschließung von Bodenschätzen […].“
Schickhart war indes, wie bereits angedeutet, nicht nur für die württembergischen Herzöge, sondern auch für viele andere Auftraggeber tätig, zum Beispiel für die Grafen von Hohenlohe oder die Reichsstadt Esslingen. Dokumentiert ist dies detailliert im Inventarium Schickhardts wie auch in seinem umfangreichen Nachlass, der im Hauptstaatsarchiv Stuttgart erhalten ist.
Seiner Geburtsstadt Herrenberg, in der er ein stattliches Haus besaß, ist Schickhardt stets verbunden geblieben. Hier lebte seine Familie – er hatte die Tochter des Bürgermeisters geheiratet –, von hier aus verwaltete er seinen umfangreichen Grundbesitz. Nach dem Regierungsantritt Herzog Friedrichs I. hatte er zudem gleichzeitig Wohnsitze in Stuttgart und Mömpelgard, an denen er sich im Wechsel aufhielt; in Mömpelgard erhielt er das Bürgerrecht. Den dortigen Standort gab er jedoch nach dem Tod Friedrichs I. wieder auf, da der Nachfolger andere Schwerpunkte für seine Arbeit setzte. Den Wohnsitz in Stuttgart behielt er dagegen bis zu seinem Tod bei. Durch die unmittelbare Nähe zu den Herzögen und ihrer Verwaltung kam ihm vom Anbeginn der Karriere Schickhardts eine zentrale Bedeutung als Drehscheibe seines Schaffens und Repräsentation seiner Stellung zu. Schickhardt war in Stuttgart stets präsent, hier gab es neben den großen Projekten eben auch im besonderen Maß Routinegeschäfte, die er laufend zu erledigen hatte.
So bewahrte er auch in seinem Stuttgarter Haus wohlgeordnet die Unterlagen, die aus seinen verschiedenen Aktivitäten erwuchsen. In seinem Inventarium erwähnt er die Schubladen, in denen seine Pläne, Skizzen und Zeichnungen lagen. Wie er eigens festhielt, hatte er das Dossier seiner ersten Zeichnungen für den Neuen Bau in Stuttgart bei den Zeichnungen seines Großvaters „von Altären, schönem Kirchengestühl und dergleichen Zeichnungen“ abgelegt. Man kann aus diesem Selbstzeugnis schließen, dass er dem Gebäude einen zentralen Rang in seinem Lebenswerk beigemessen hat.
In Stuttgart wurde er auch auf dramatische Weise jäh aus dem Leben gerissen. Im Totenbuch der Stuttgarter Stiftskirche ist unter dem 14. Januar 1635 vermerkt: „Heinrich Schickhart. Von Soldaten gestochen.“ Nach der Chronik des Herrenberger Vogts Gottlieb Friedrich Heß aus dem 18. Jahrhundert „ward er in seinem aignem hause von einem frechen soldaten, der seine baasen gewalt anthun, Schickhardt aber verwehren wollen, mit dem degen durchstoßen“. Da war er fast 77 Jahre alt. Wo und wie er beerdigt wurde, ist nicht überliefert.