Wenig sprach im Geburtsjahr von Robert Bosch für eine Unternehmerkarriere in Stuttgart. Als elftes von zwölf Kindern wurde der spätere Ehrenbürger der Landeshauptstadt am 23. September 1861 in Albeck bei Ulm geboren. Die Familie gehörte zur bäuerlichen Oberschicht. Der Vater, Freimaurer und Demokrat, wurde für Robert Bosch zum politischen Vorbild. Wichtig war den Eltern auch eine solide berufliche Ausbildung der Kinder.
Nach der Realschule in Ulm und dem Militärdienst absolvierte Robert Bosch eine Ausbildung zum Feinmechaniker und arbeitete danach in elektrotechnischen Betrieben in Deutschland, sammelte auch Erfahrungen in den USA (bei T.A. Edison) und in Großbritannien. 1886 gründete er in Stuttgart in der Rotebühlstraße seine Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik.
Nach wechselvollen Anfängen mit schwankendem Auftragseingang, dem „Gewürge“, das Bosch 1921 in seinen Lebenserinnerungen beschrieb, half dem jungen Unternehmen die Elektrifizierung und damit die Ankunft der industriellen Moderne in der Stadt. Entscheidend für den Erfolg der Firma wurde indes der später legendäre Magnetzünder, mit dem der Siegeszug des Automobils nun nicht mehr aufzuhalten war. Dabei nahm Robert Bosch für sich nicht die Rolle des genialen Erfinders in Anspruch, sondern schrieb die Innovationen im Unternehmen dem Teamgeist, der Beharrlichkeit und dem Können seiner Mitarbeiter zu.
Für den Pionier der Globalisierung – der Auslandsanteil des Umsatzes lag vor dem Ersten Weltkrieg bei 88 % – waren Julikrise und Kriegsausbruch 1914 ein verheerender Einschnitt. Auslandsmärkte und Auslandsvermögen gingen im Krieg weitgehend verloren, das Unternehmen sank zum Verdruss des Gründers zum Rüstungslieferanten herab.
Nach dem Krieg setzte Robert Bosch auf neue Produkte für das Auto, entwickelte das legendäre Bosch-Horn, Scheibenwischer und die Dieseleinspritzung. Um 1926 geriet das Unternehmen dennoch mit dem unerbittlichen internationalen Wettbewerb der Autohersteller und einem heftigen Konjunktureinbruch in eine Krise. In der Werkszeitung, dem Bosch-Zünder, schrieb der Unternehmensgründer: „Das Haus Bosch feiert sein vierzigstes Wiegenfest in den Zeiten einer Krisis, wie es eine solche noch nie durchzumachen hatte.“ Die Krise war in der Tat eine „soziale Katastrophe“ (J. Bähr). Trotz Kurzarbeit musste das Unternehmen 40 % seiner Stellen abbauen – und noch gab es keine Arbeitslosenversicherung.
Bosch reagierte mit einer umfassenden Produktdiversifizierung und dem Umbau der betrieblichen Abläufe und Verfahren. Er kämpfte sich schrittweise in seine führende Position im Markt zurück. Dabei blieb der hohe Qualitätsanspruch des Hauses nicht auf der Strecke. Aber der bisherige Grundsatz, immer das Beste vom Guten zu entwickeln und zu produzieren, ließ sich nicht mehr in der überkommenen Weise aufrechterhalten. Die Kunden, die Automobilhersteller, riefen angesichts der Konkurrenz preisgünstiger, bescheiden ausgestatteter Kleinwagen in Großserienfertigung aus den Vereinigten Staaten nach bezahlbaren Zulieferprodukten.
Stuttgart erinnert sich an Robert Bosch aber nicht allein wegen seiner unternehmerischen Erfolge. Er galt als fortschrittlicher Arbeitgeber, zahlte hohe Löhne. Sein Biograph Theodor Heuss überlieferte die legendäre Maxime: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle.“ Bosch führte schon 1906 den Achtstundentag ein, sorgte für gute Arbeitsbedingungen, befürwortete in der Republik eine kooperative Betriebsverfassung und führte in seinem Unternehmen Betriebsrenten ein. Als Arbeitgeber setzte er sich mit den Forderungen der organisierten Arbeiterbewegung in sachlicher Weise auseinander. Er sah in Gewerkschaften und Sozialdemokratie nicht das „Rote Gespenst“ und mithin Feinde – wie es in seinen Kreisen nicht unüblich war –, sondern den Ausdruck legitimer Interessenvertretung. Bosch vertrat seine Standpunkte klar und deutlich, warb zugleich für Dialog und Kompromiss.
Hinzu trat das stifterische Engagement in beispiellosem Umfang. In den Richtlinien für seine Testamentsvollstrecker legte Robert Bosch 1935 fest: „Meine Absicht geht dahin, neben der Linderung von allerhand Not, vor allem auf die Hebung der sittlichen, gesundheitlichen und geistigen Kräfte des Volkes hinzuwirken.“ Und als Beispiele dafür nennt er: „Gesundheit, Bildung, Förderung Begabter, Völkerverständigung und dergleichen …“. Dies war kein später Entschluss, sondern bedeutete die langfristige institutionelle Sicherung seiner bis dahin schon vielfach bewiesenen Bereitschaft zu spenden und zu stiften.
Schon 1910 stellte er der Technischen Hochschule Stuttgart, die er im Wintersemester 1883/84 als Gasthörer kennengelernt hatte, eine Million Mark zum Ausbau von Lehre und Forschung zur Verfügung.
Unmittelbar nach Ausbruch des Weltkriegs überreichte er dem Oberbürgermeister von Stuttgart 100.000 Mark zur freien Verwendung in der Linderung der kriegsbedingten Alltagsnot. Und ihm lag jetzt daran, seine kriegsbedingten Gewinne in gemeinnützige Projekte zu lenken, namentlich in eine Kriegsstiftung für soziale Zwecke und in eine Stiftung für den Bau des Neckarkanals, deren Zinserträge der Stadt Stuttgart zufließen sollten, wiederum für soziale Zwecke.
An seinem 75. Geburtstag stellte er 5,5 Millionen Reichsmark für das 1940 eingeweihte Robert-Bosch-Krankenhaus bereit. Hinzu kamen Förderbeiträge auf dem Gebiet der Bildung, besonders der Erwachsenenbildung, ferner für die von Friedrich Naumann in Berlin angeregte Hochschule für Politik sowie für den Wohnungsbau. In Berlin stellte er ein Gebäude für die „Deutsche Gesellschaft 1914“ bereit, eine Vereinigung, die mitten im Weltkrieg mit seiner zunehmenden politischen Radikalisierung gemäßigte bürgerliche, aber auch gewerkschaftliche Kräfte sammelte und den lagerübergreifenden Dialog und damit politische Mäßigung ermöglichen sollte.
Bürgerschaftliches Engagement zeigte Robert Bosch vor allem auch in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und damit für die Völkerverständigung. Er bekannte sich freimütig zu einer pazifistischen Grundhaltung und setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg lebhaft für die Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen ein. Dem lag die bis in die Gegenwart gültige Einsicht zugrunde, dass Frieden und Stabilität in Europa langfristig nur gesichert werden können auf der Basis von Freundschaft und Interessensausgleich der Nachbarn am Rhein. Zugleich sah er in der deutsch-französischen Partnerschaft die Grundlage für einen Zusammenschluss der europäischen Nationen, weshalb er die für dieses Ziel eintretende Paneuropa-Union förderte. Im brieflichen Austausch mit ihrem Gründer Richard Coudenhove-Kalergi umschrieb Robert Bosch in nüchterner Weise seine Motive für gemeinnütziges Handeln: „Ich bin gespannt zu erfahren, was sie unter praktischem Idealismus verstehen. Sie erinnern sich vielleicht meiner Definition: Der Idealist ist ein Materialist, klug genug einzusehen, dass es nicht ihm allein gut gehen kann.“
Als liberaler Demokrat befürwortete Robert Bosch das politische Zusammenwirken des aufgeklärten Bürgertums und der gemäßigten politischen Arbeiterbewegung zur Kräftigung der Weimarer Demokratie. Er hatte den politischen Neuanfang 1918/19 für überfällig gehalten, verurteilte die „Dolchstoßlegende“ und alle Formen politischer Demagogie, auch den Antisemitismus. Deshalb war ihm das NS-Regime in jeder Hinsicht zuwider.
Mit bemerkenswerter Konsequenz unterstützten Robert Bosch und sein engerer Führungskreis deshalb den Widerstand gegen die braune Barbarei, gegen die „Verbrecher“, wie Robert Bosch und sein Nachfolger Hans Walz die Führungsclique des „Dritten Reiches“ nannten; sie schützten und retteten jüdische Mitbürger und andere Verfolgte. Robert Bosch förderte mit einem Beratervertrag für Carl Goerdeler direkt die Bemühungen um den Sturz des NS-Regimes. An den Vorbereitungen zum Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 waren auch leitende Mitarbeiter des Hauses Bosch beteiligt.
1937 wandelte der Gründer die Robert Bosch AG in eine GmbH um, in der er, nach dem Inkrafttreten eines neuen Aktiengesetzes, seinen bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensführung besser gewährleistet sah. Seine testamentarischen Verfügungen ermöglichten später den Übergang der Robert Bosch GmbH in eine Unternehmensverfassung, in der seine erwerbswirtschaftlichen und seine gemeinnützigen Ziele und Interessen – nach 1964 unter dem Dach der Robert Bosch Stiftung – gleichermaßen verankert werden konnten.