Als deutschnationaler Oppositionsführer bekämpfte Wilhelm Bazille fünf Jahre lang den Weimarer Staat im Stuttgarter Landtag in überaus polemischer Form. Als Staatspräsident der Jahre 1924 bis 1928 verfolgte er jedoch eine durchaus sachorientierte Politik.

Wilhelm Friedrich Bazille wurde 1874 in Esslingen geboren, sein Vater war aus Savoyen eingewandert und zuletzt als Werkmeister bei der Württembergischen Metallwarenfabrik in Geislingen tätig. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Tübingen und ersten beruflichen Stationen u. a. bei den Oberämtern Geislingen und Mergentheim war Bazille seit 1900 bei der Stadtdirektion Stuttgart tätig. Gleichzeitig begann er sich durch eine Reihe staatsrechtlicher Publikationen zu profilieren. Außerdem engagierte sich Bazille bei der nationalliberalen Deutschen Partei, eine erste Landtagskandidatur 1906 war jedoch erfolglos.

Vor allem aber trat Bazille bereits in dieser frühen Phase seines Wirkens als Provokateur hervor. Überaus polemisch attackierte er den damaligen linksliberalen und durchaus anerkannten Stuttgarter Oberbürgermeister Heinrich von Gauß (1858-1921), dem er einen schleppenden Geschäftsgang wie auch ein schlechtes Verhältnis zur Bürgerschaft vorwarf. Die Pressefehde zwischen ihm und Gauß hatte sowohl parteipolitische wie persönliche Züge, geschadet hat sie Bazille nicht. Dieser brachte sich vielmehr 1911 nach dem krankheitsbedingten Rücktritt des Oberbürgermeisters als potenzieller Nachfolger ins Spiel, jedoch zog er seine Kandidatur öffentlichkeitswirksam zugunsten Karl Lautenschlagers (1868-1952) zurück. Zwei weitere Landtagskandidaturen 1912 scheiterten knapp – beruflich war Bazille inzwischen bei der Zentralstelle für Handel und Gewerbe tätig. 1913 stieg er zum Vorsitzenden der Nationalliberalen in Groß-Stuttgart auf.

Aus gesundheitlichen Gründen war Bazille während des Ersten Weltkriegs nicht diensttauglich, jedoch wurde er in der Besatzungsverwaltung im belgischen Hasselt eingesetzt. Über sein dortiges Wirken gingen die Meinungen der Zeitgenossen auseinander. Seitens der Armee wurde Bazille eine hervorragende Verwaltungstätigkeit attestiert, dagegen warf ihm der Sozialdemokrat Wilhelm Keil (1870-1968) Korruption und Begünstigung separatistischer Tendenzen in der Provinz Limburg vor.

1919 gehörte Bazille zu den Gründungsmitgliedern der württembergischen Bürgerpartei, die schließlich in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) aufging. Landespolitisch arbeitete die Bürgerpartei eng mit dem Bauernbund zusammen und bildete mit diesem im Landtag eine Fraktionsgemeinschaft mit Bazille als Vorsitzendem. Zwar stimmten Bürgerpartei und Bauernbund mehrheitlich der neuen württembergischen Verfassung zu, aber dieses Votum war taktisch motiviert. Tatsächlich attackierte Bazille den neuen republikanischen Staat in böswilliger und polemischer Form. In seinen oft langatmigen Redebeiträgen bediente sich Bazille der Dolchstoßlegende. Seiner Überzeugung nach war das deutsche Heer siegreich geblieben, aber gleichsam von den Sozialdemokraten im Verbund mit Linksliberalen und Katholiken wehrlos gemacht und dem britischen Imperialismus ausgeliefert worden. Dementsprechend denunzierte er Matthias Erzberger (1875-1921), Walther Rathenau (1867-1922) und Philipp Scheidemann (1865-1939) als „Erfüllungspolitiker“. Das Gegenbild zur Gegenwart bildete für Bazille das Kaiserreich unter Otto von Bismarck (1815-1898), den er regelmäßig als genialen Staatsmann anpries. Das scharf nationalistische Denken Bazilles verband sich mit antisemitischen Ausfällen. Wenig verwunderlich war es dementsprechend auch, dass die württembergische DNVP enge Kontakte in das rechtsradikal-völkische Milieu pflegte. Bazille wurde sogar 1923 auf einer Ministerliste unbekannter Herkunft als möglicher Regierungschef Württembergs im Falle eines erfolgreichen rechtsradikalen Staatsstreichs genannt. Bei den Landtagswahlen 1924 bildete die DNVP sogar eine Listenverbindung mit den rechtsradikalen Vereinigten Vaterländischen Verbänden.

1924 hatte sich der damalige württembergische Staatspräsident, Johannes von Hieber (1862-1951), um eine groß angelegte Verwaltungsreform bemüht. In diesem Zusammenhang gelang es, knapp 11% der Beamtenschaft sowie die vier Kreisregierungen abzubauen. Weiterführende Pläne Hiebers um eine Reduktion der insgesamt 62 Oberämter trafen jedoch auf massiven Widerstand. In überaus geschickter Form griff Bazille diesen Protest auf und konnte damit zum Sturz des Kabinetts Hieber beitragen.

Bei der Neuwahl des Landtags erreichten Bauernbund und DNVP über 30% aller abgegebenen Stimmen und stiegen zur stärksten Fraktion im Stuttgarter Landtag auf. Da die Zentrumspartei bereits zuvor begonnen hatte, sich nach rechts zu orientieren, trat an die Stelle der bisherigen, von der SPD tolerierten Minderheitsregierung aus der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und dem Zentrum ein Kabinett aus DNVP, Bauernbund und Zentrumspartei. In diesem übernahm Bazille das Kultministerium, das Wirtschaftsministerium und das Amt des Staatspräsidenten.

In seinem neuen Amt brachte der überzeugte Monarchist Bazille seine Ablehnung der republikanischen Staatsform bisweilen weiter zum Ausdruck: So weigerte er sich beharrlich, den 11. August, den Tag der Verkündung der Weimarer Reichsverfassung, als Nationalfeiertag zu begehen. Insgesamt jedoch vollzog Bazille – freilich nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Zentrumspartei als Koalitionspartner – eine bemerkenswerte Wandlung, sodass selbst Kritiker ihm eine sachorientierte Politik zubilligten und ihm bisweilen staatsmännisches Format attestierten. So stimmte Bazille, der seit 1920 auch dem Reichstag angehörte, in der Abstimmung über den Dawes-Plan und die damit verbundene Regelung der Reparationsfragen für die Annahme des Abkommens. Zudem half er dabei, die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Dawes-Plan im Reichstag zu sichern, indem er in seiner Fraktion für die Zustimmung warb. Auf Reichsebene verstand sich Bazille als Anwalt des Föderalismus und Verteidiger von Länderrechten.

In Württemberg konnte er die Verabschiedung eines Besoldungsgesetzes 1928, einer Dienstordnung für die Staatsbehörden 1928 sowie eines Beamtengesetzes 1929 als Erfolg verbuchen. Zudem wurden während der Amtszeit Bazilles die Zuständigkeiten des Staatsministeriums gesetzlich festgelegt und die Kompetenzen der einzelnen Ressorts genau abgegrenzt. Außerdem verwies Bazille gern darauf, dass Württemberg den niedrigsten Schuldenstand und die geringste Arbeitslosigkeit im Reich hatte. Bis 1928, so Bazille, sei es gelungen, die Steuern sogar um zwei Prozent zu senken. Auch kam es zum Ausbau des Straßenbahn- und Omnibusnetzes im Raum Stuttgart.

In einer ganzen Reihe anderer Vorhaben scheiterte Bazille. Großspurig hatte er angekündigt, das gesamte Gesetzeswesen in Württemberg zu durchforsten und auf eine völlig neue Grundlage stellen zu wollen, was sich nicht verwirklichen ließ. Gleichermaßen scheiterte der Plan, in Stuttgart ein Regierungs-, Einkaufs- und Kulturviertel zu schaffen. Letztlich kam es einzig 1925 zur Verlegung der Staatskanzlei in die Villa Reitzenstein, die Bazille auch nach seinem Rücktritt als Staatspräsident bis 1933 bewohnte. Seitens der SPD wurde vor allem die Schulpolitik Bazilles als rückständig angeprangert. Anders als in anderen Ländern des Reichs kam es in Württemberg nicht flächendeckend zur Einführung des achten Schuljahres. Bazille musste an dieser Stelle Rücksicht auf den Bauernbund nehmen: Die Landwirtschaft benötigte die 13-jährigen Jugendlichen als Kräfte auf dem Feld und legte keinen Wert auf die Verlängerung der Schulpflicht.

Aus der Landtagswahl 1928 ging die SPD als stärkste Kraft hervor, gleichwohl blieb die Regierung aus Zentrum, DNVP und Bauernbund im Amt, zunächst als Minderheitsregierung. 1930 wurde sie um die DDP sowie die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP) erweitert. Bazille musste das Amt des Staatspräsidenten sowie das Wirtschaftsministerium abgeben. In der jetzt vom Zentrumspolitiker Eugen Bolz (1881-1945) geleiteten Regierung verblieb Bazille das Kultministerium. Innerhalb des Kabinetts spielte er fortan nur noch eine Nebenrolle, gleichzeitig geriet er in massiven Konflikt mit dem neuen starken Mann der DNVP Alfred Hugenberg (1865-1951). Hatte die DNVP bis 1928 zwischen Obstruktion und Kooperation gewankt, so betrieb Hugenberg jetzt eine scharf nationalistische Politik, die ihren Ausdruck in einem Volksbegehren gemeinsam mit der NSDAP gegen den Young-Plan bezüglich deutscher Reparationszahlungen zum Ausdruck kam. Bazille war im Grunde auch gegen den Young-Plan, mehr aber noch war er gegen das Volksbegehren. Dabei erkannte er hellsichtig, dass von diesem vor allem die Nationalsozialisten profitieren würden. Zugleich attackierte Bazille den autoritären Führungsstil Hugenbergs innerhalb der eigenen Partei. Anders als Hugenberg war Bazille bereit, das Präsidialkabinett unter Heinrich Brüning (1885-1970) zu unterstützen.

Im Juli 1930 schied er aus der DNVP aus, die inzwischen auch in Württemberg von Hugenberg-Anhängern dominiert wurde. Bei den nachfolgenden Reichstagswahlen im September bemühte sich Bazille vergeblich als Spitzenvertreter der Nationalen Volksgemeinschaft, einer von seinen Anhängern gegründeten konservativen Kleinpartei, um ein Reichstagsmandat. Wiederum warnte er vor Hugenberg und sprach sich für die Unterstützung Brünings aus. In der Folgezeit war Bazille in der Öffentlichkeit kaum mehr präsent. Er wurde von schweren Kopfschmerzen und Depressionen geplagt, sein Denken wurde vermehrt durch Untergangsvorstellungen und Verfolgungswahn geprägt. Dem Kabinett gehörte Bazille zwar bis 1933 an, er nahm jedoch nur noch selten an Sitzungen teil.

Zwar kann Bazille für sich in Anspruch nehmen, als einer der ersten württembergischen Konservativen vor den Gefahren gewarnt zu haben, die vom Kurs Hugenbergs ausgingen. Seine Äußerungen zu den Nationalsozialisten in einem 1932 verfassten politischen Testament fielen jedoch zwiespältig, teils wohlwollend aus. Es war bezeichnend, dass der gleichgeschaltete Staatsanzeiger nach Bazilles Freitod am 1. Februar 1934 den Verstorbenen durchaus positiv bewertete und vor allem dessen Hetze gegen den Weimarer Staat in der Zeit bis 1924 würdigte, über seine zumindest teilweise verantwortungsvolle Amtsführung als Staatspräsident dagegen hinwegging.

Text: Michael Kitzing
Schlagwort: Stuttgart-Ost
Quellenhinweise:

Wilhelm Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, Stuttgart 1919.

Literaturhinweise:

Thomas Borgmann, Macht und Mythos. Die Villa Reitzenstein, Tübingen 2016.
Bernd Burkhardt, Fünf politische Lebensläufe aus dem Stuttgart vor der Machtergreifung, in: Ausstellungsreihe Stuttgart im Dritten Reich: eine Ausstellung des Projekts Zeitgeschichte, „Kultur unterm Turm“, hg. vom Projekt Zeitgeschichte im Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart, Bd. 1, Stuttgart 1982, S. 13-40.
Heinz Krämer, Wilhelm Bazille: Staatspräsident von 1924-1928, in: Kurt Gayer/Heinz Krämer/Georg F. Kempter (Hg.): Die Villa Reitzenstein und ihre Herren. Die Geschichte des baden-württembergischen Regierungssitzes, Stuttgart 1989, S. 81-100.
Hans Peter Müller, Die Bürgerpartei/Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in Württemberg 1918-1933. Konservative Politik und die Zerstörung der Weimarer Republik, in: ZWLG 61 (2002), S. 375-433.
Hans Peter Müller, Wilhelm Bazille. Deutschnationaler Politiker, württembergischer Staatspräsident (1874-1934), in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg 21 (2005), S. 480-517.
Hans Peter Müller, Bazille, Wilhelm Friedrich, in: Württembergische Biographien unter Einbeziehung hohenzollerischer Persönlichkeiten, hg. von Maria-Magdalena Rückert, Bd. 2, Stuttgart 2011, S. 10-12.
Christof E. Palmer/Timo John, Drei Staatspräsidentenporträts in der Villa Reitzenstein, in: Schwäbische Heimat 56 (2005), S. 202-213.
Paul Sauer, Württemberg in der Weimarer Republik, in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. im Auftrag der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg von Hansmartin Schwarzmaier und Meinrad Schaab, Bd. 4: Die Länder seit 1918, Stuttgart 2003, S. 73-149.
Reinhold Weber, Zwischen Obstruktion und unterlassener Hilfeleistung – Verfassungsfeiern der württembergischen Regierungen in der Weimarer Republik, in: Martin Furtwängler/Nicole Bickhoff/Ernst Otto Bräunche/Konrad Krimm (Hg.), Verfassungen und Verfassungsjubiläen 1818/1819 –1919 – 2019, Stuttgart 2020, S. 187-207.

GND-Identifier: 116097647
Publiziert am: 29.10.2024
Empfohlene Zitierweise:
Michael Kitzing, Wilhelm Friedrich Bazille (1874-1934), publiziert am 29.10.2024 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/4282d205-4a19-4547-a7a8-1126ea1c1010/Wilhelm_Friedrich_Bazille.html