Maier stammte zwar aus dem Remstal, die längste Zeit seines Lebens (1902-1907 und 1920-1971) verbrachte er jedoch in Stuttgart. Hier machte er seine berufliche und politische Karriere, hier heiratete und starb er. Von 1945 bis 1952 war er Ministerpräsident des Landes Württemberg-Baden, 1952/53 erster Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

Weil ein Gymnasialabschluss in seiner Vaterstadt nicht möglich war, kam Reinhold Maier, am 16. Oktober 1889 in Schorndorf geboren, schon 1902 als Schüler nach Stuttgart. Dort wohnte er zunächst in der Schülerpension Breitweg (Lange Straße 14), später im Haus des CVJM in der Furtbachstraße 6; 1907 legte er am Dillmann-Realgymnasium (Lindenstraße 30) die Reifeprüfung ab. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Grenoble und Tübingen (1907-1912) und Anfängen als Referendar in Schorndorf und Ravensburg (1913/14) meldete er sich am 5. August 1914 als Kriegsfreiwilliger zum Dienst im Ersten Weltkrieg, den er bis zum bitteren Ende mitmachte. Am 9. November 1918, dem Tag der Revolution auch in Württemberg, nach Schorndorf zurückgekehrt, beendete Maier das Referendariat im Juni 1919 mit der Zweiten Juristischen Staatsprüfung in Stuttgart. Den Abschluss seiner Ausbildung bildete die Promotion in Heidelberg bei dem bekannten Staatsrechtslehrer Gerhard Anschütz im Juli 1921.

Maier schloss sich im Herbst 1918 der nach Kriegsende neu gegründeten linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an, für die er als hauptamtlicher Parteisekretär 1919/20 in Oberschwaben tätig wurde. Nachdem sich die Blütenträume des deutschen Linksliberalismus bei den Wahlen des Jahres 1920 sowohl auf Reichs- wie auf Landesebene nicht erfüllt hatten, trat Maier am 1. Juli 1920 in die renommierte Stuttgarter Anwaltskanzlei Löwenstein/Kiefe (Werastraße 3) ein. 1920 bis 1930, 1933 bis 1944 und 1953 bis 1967 blieb er als Rechtsanwalt in Stuttgart aktiv. Den teilweisen Ausfall seiner Stuttgarter Klientel, die ihn während der NS-Zeit aus politischen Gründen mied, kompensierte er durch neue Mandanten in Nordbaden und der Pfalz. 1929 heiratete er Gerta Goldschmidt (1902-1994), eine Frau aus kultivierter jüdischer Familie (jedoch keine Glaubensjüdin) in der Stuttgarter Schlosskirche. Aus der Ehe gingen die Kinder Magda (*1929) und Georg (*1933) hervor. 1930 konnte die junge Familie in Stuttgart das Haus Dillmannstraße 16 beziehen, das im Bombenkrieg am 14. September 1944 unterging. Kurz vor der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs war es Maier noch gelungen, Frau und Kinder über die Schweiz ins englische Exil zu retten. Unter dem Druck der NS-Justiz wurde seine Ehe 1943 geschieden, aber sofort nach Rückkehr der Frau am 18. Januar 1946 vor dem Stuttgarter Standesamt erneut geschlossen.

Die Anfänge der politischen Karriere Maiers verliefen eher zögerlich und nicht ohne Friktionen innerhalb der DDP, wo ihm besonders die intellektuelle Frauengruppe und die Parteijugend wegen seiner wirtschaftsfreundlichen Haltung mit Misstrauen begegneten. Besonderen Unmut erregte im Januar 1930 – nachdem Maier 1924 den Vorsitz der DDP Groß-Stuttgart übernommen hatte und mit einiger Verspätung 1929 auch in den Landesvorstand der Partei aufgerückt war – seine Berufung zum Wirtschaftsminister in der württembergischen Regierung unter Staatspräsident Eugen Bolz, weil dieser Regierung als einer Koalition aus dem in Württemberg eher rechts orientierten Zentrum und den Deutschnationalen ein durch und durch konservativer Zuschnitt eignete. Als württembergischer Wirtschaftsminister setzte Maier bis 1933 zur Arbeitsbeschaffung große Infrastrukturprojekte in Gang – so den Ausbau des Neckarkanals und die Elektrifizierung der Stuttgarter Vorortbahnen. Weniger Erfolg war ihm damals und auch nach dem Krieg bei seinen Bemühungen beschieden, die Bahnanbindung Stuttgarts nach Norden in Richtung Würzburg-Berlin und nach Süden in Richtung Zürich zu verbessern.

Im April 1932 errang Maier als Spitzenkandidat im Wahlverband Groß-Stuttgart mit der Wahl in den württembergischen Landtag erstmals ein Abgeordnetenmandat. Im November desselben Jahres wurde er als einer von zwei Abgeordneten seiner Partei im Wahlkreis 31 Württemberg auch in den Reichstag gewählt. Nach einem Wahlkampf, in dem sich Maier massiven Angriffen seitens der Nationalsozialisten ausgesetzt sah, konnte er dieses Mandat als Kandidat auf dem Reichswahlvorschlag der Deutschen Staatspartei bei der letzten nurmehr bedingt freien Reichstagswahl am 5. März 1933 verteidigen. Kurz zuvor hatte er in der Stuttgarter Liederhalle vor 1.000 Anhängern seiner Partei seine letzte große Rede gehalten. Durch eine Listenverbindung mit der SPD gelang es den Demokraten trotz weitere Stimmenverluste, insgesamt fünf Abgeordnete in den Reichstag zu entsenden – darunter neben Maier den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss und den späteren Bundesminister Ernst Lemmer. Es war jedoch Reinhold Maier, der seine vier Kollegen zu überzeugen vermochte, dem von Hitler gewünschten Ermächtigungsgesetz zuzustimmen. Und so war er es auch, der die von Heuss formulierte Rede, die ursprünglich in einer Enthaltung enden sollte, in der Berliner Krolloper verlas und trotz der darin auch festgehaltenen schweren Bedenken die Zustimmung der Linksliberalen erklärte. Im Unterschied zu Theodor Heuss, dem offenbar schon 1933 und erst recht nach 1945 Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung kamen, hat Maier diese auch nach 1945 mit dem Verweis auf seine Erwartung, wenigstens die Institution des Reichstags und Reste von Rechtsstaatlichkeit retten zu können, stets verteidigt – sowohl in einem Untersuchungsausschuss des Landtags von Württemberg-Baden 1947 als auch 1964 in seinen Memoiren.

Die Anfänge der politischen Tätigkeit Maiers im Ministeramt und die Ohnmacht als Abgeordneter sowohl im Land- wie im Reichstag in der Agonie der Weimarer Republik 1932/33 haben seinen weiteren politischen Werdegang vorgezeichnet. Er war stets eher ein Mann der Exekutive und ist als Abgeordneter auch nach 1945 kaum hervorgetreten. 1946 bis 1964 gehörte er dem Stuttgarter Landtag an. 1946 bis 1950 vertrat er dabei den Wahlkreis Stuttgart, 1950 bis 1952 den Wahlkreis Waiblingen und 1952 bis 1964 den Wahlkreis Waiblingen II, wo er bis zuletzt als „Volksmann“ eine ungeheure Popularität genoss, die ihm noch 1961 bei einer durch Urteil des Staatsgerichtshofs erzwungenen Neuwahl das Direktmandat sicherte. 1953 und 1957 kandidierte Maier auf Listenplatz 1 der FDP in Baden-Württemberg für den Deutschen Bundestag. Beide Male (1956 bzw. 1959) legte er das Mandat aus freien Stücken nieder.

Nach der Abgrenzung der Besatzungszonen zwischen Amerikanern und Franzosen entlang der Kreisgrenzen, die südlich der von Karlsruhe nach Ulm verlaufenden Autobahn verliefen, proklamierte General Eisenhower am 19. September 1945 aus den nördlichen Teilen der älteren Länder Baden und Württemberg das Land Württemberg-Baden als eines von zunächst drei Ländern der US-Zone. Schon am 14. September 1945 hatte der für dieses Land zuständige US-Militärgouverneur Reinhold Maier den Auftrag erteilt, die Geschäfte als Ministerpräsident an der Spitze der Regierung des neu formierten Landes aufzunehmen. Als einziger der von den Amerikanern eingesetzten Regierungschefs behauptete Maier diese Position auch bei den ersten im November 1946 abgehaltenen Landtagswahlen und noch darüber hinaus bis zum Ende des Landes Württemberg-Baden 1952. Solitär blieb Maiers Stellung auch insofern, als er bis zur Gegenwart der einzige deutsche Regierungschef geblieben ist, der der FDP angehörte.

1952 gelang ihm das Kunststück, die Position des Ministerpräsidenten auch im damals neu begründeten Südweststaat Baden-Württemberg zu behaupten, obwohl die FDP nur kleinerer Partner in einer Koalition mit der SPD und dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) gewesen ist. Die guten Erfahrungen, die Maier in einer sozialliberalen Koalition zuvor gemacht hatte (die KPD war 1948 gezwungenermaßen, die CDU 1950 freiwillig aus dem ursprünglichen Allparteienkabinett ausgeschieden), die kulturpolitischen Differenzen mit der CDU (Konfessionsschule) und die tiefen Gräben zwischen den Anhängern des Südweststaats und den „Altbadenern“ innerhalb der CDU hatten Maier bewogen, eine solche Regierung zu bilden. Dieser Schritt rief nicht nur den wütenden Protest der CDU als stärkster Partei im Landtag, sondern auch die Missbilligung der eigenen Bundespartei und massive Drohungen aus der Wirtschaft hervor. Stand die erste Regierung des jungen Südweststaats somit von Beginn an unter Druck, zerfiel die Koalition, nachdem Maier die Stimmen des Landes im Bundesrat zugunsten der von Bundeskanzler Adenauer ausgehandelten EVG-Verträge abgegeben hatte. Die dadurch düpierte SPD verständigte sich daraufhin mit der CDU und zwang Maier damit zum Rücktritt, den er am 30. September 1953 erklärte. Sein Nachfolger als Ministerpräsident an der Spitze eines Allparteienkabinetts wurde Gebhard Müller von der CDU.

Sitz des Ministerpräsidenten war in Stuttgart zunächst das Haus Olgastraße 7, direkt neben der Residenz des amerikanischen Militärgouverneurs. Erst 1948 konnte Maier in die repräsentative Villa Reitzenstein (Richard-Wagner-Straße 15) als neuem Dienstsitz umziehen. Der Landtag tagte bis zum Bezug des Neubaus im Schlossgarten 1961 (Konrad-Adenauer-Straße 3) in der Heusteigstraße 45. Privat wohnte Maier nach dem Krieg mit seiner Familie zunächst in der Schottstraße 90, seit 1947 in der Albert-Schäffle-Str. 95.

Besondere Verdienste erwarb sich Maier in seiner Regierungszeit bei der Förderung des Mittelstands, bei der Integration der in großer Zahl nach Württemberg-Baden gelangten Flüchtlinge und Vertriebenen, beim weiteren Ausbau der Infrastruktur des Landes und im Zusammenspiel mit dem Tübinger Regierungschef Gebhard Müller um die Begründung des Südweststaats in Auseinandersetzung mit dem Freiburger Staatspräsidenten Leo Wohleb, der die Wiederherstellung der alten Länder Baden und Württemberg erstrebt hatte. Die im Januar 1949 von Oberbürgermeister Arnulf Klett initiierte Bewerbung Stuttgarts als Regierungssitz der entstehenden Bundesrepublik wurde von Maier dagegen ausdrücklich nicht unterstützt. Er befand sich dabei freilich in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Stuttgarter Bevölkerung.

Ein wenig bundespolitischen Glanz brachte Maier später dann doch insoweit nach Stuttgart, als er, den die FDP nach Spaltung und endlosen Querelen im Januar 1957 als Nothelfer an die Spitze gerufen hatte, seine Partei als Bundesvorsitzender bis 1959 von seinem Stuttgarter Büro aus führte.

Reinhold Maier ist am 19. August 1971 in seiner Stuttgarter Wohnung gestorben. Bestattet wurde er freilich auf dem Alten Friedhof seiner Vaterstadt Schorndorf.

Text: Klaus-Jürgen Matz
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Reinhold Maier, Ein Grundstein wird gelegt. Die Jahre 1945-1947, Tübingen 1964.
Reinhold Maier, Erinnerungen 1948-1953, Tübingen 1966.
Klaus-Jürgen Matz, Reinhold Maier (1889-1971). Eine politische Biographie, Düsseldorf 1989.
Reinhold Maier 1889-1971, hg. von Wolfgang Schmierer, Stuttgart 1989.
Frank Raberg (Bearb.), Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933, Stuttgart 2001, S. 538-540.
Paul Sauer/Klaus-Jürgen Matz, Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte, Bd. 4: Die Länder seit 1918, hg. von Hansmartin Schwarzmaier/Meinrad Schaab in Verbindung mit Paul Sauer und Gerhard Taddey, Stuttgart 2003.

GND-Identifier: 118576410
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Klaus-Jürgen Matz, Reinhold Otto Maier (1889-1971), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/4f8ccb70-be20-4621-af30-80b20a0d194b/Reinhold_Otto_Maier.html