Karl Ludwig von Zanth schuf mit der Wilhelma ein Meisterwerk des Exotismus in der Baukunst des 19. Jahrhunderts. Maurische Elemente verknüpfte er dabei mit Traditionen der europäischen Schloss- und Gartenarchitektur. Seine Landhäuser waren Prototypen der Stuttgarter „Villa in Halbhöhenlage“.

Karl Ludwig von Zanth wurde am 6. August 1796 in Breslau geboren. Sein Vater war der jüdische Mediziner Abraham Zadig (1764-1835), der 1802 zum evangelischen Glauben konvertierte. Er wurde 1807 Leibarzt Jérôme Bonapartes (1784-1860) und folgte dem neugekürten König von Westphalen in dessen Residenz Kassel. Dort erhielt sein Sohn mit dem Rufnamen Ludwig unter anderem bei Hofbaudirektor Heinrich Christoph Jussow (1754-1825) Zeichenunterricht. 1811 schickte man ihn auf das Pädagogium in Ilfeld, wo er nach eigener Aussage erste Kenntnisse in den „Hülfswissenschaften der Baukunst“ erwarb. 1813 ermöglichte ein Stipendium den Besuch der Polymatischen Schule und des Lycée Bonaparte in Paris. Nachdem infolge der Völkerschlacht von Leipzig auch das Königreich Westphalen zusammenbrach, kehrten die Zadigs nach Breslau zurück. Dort wurde Ludwig an der Kunst-, Bau- und Handwerksschule eingeschrieben. Durch Beziehungen des Vaters kam er 1815 erstmals nach Stuttgart, wo er das Gymnasium Illustre besuchte. Entscheidend für seinen Werdegang war jedoch der Eintritt in das Büro des Hofbaumeisters Ferdinand Fischer (1784-1860), der Zadig schließlich 1820 den Weg nach Paris ebnete. Zur gleichen Zeit erlaubte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen Abraham Zadig, fortan den Namen „Zanth“ führen zu dürfen, den auch sein Sohn annahm.

Ferdinand Fischer hatte Zanth an Charles Percier (1764-1838) empfohlen. Der Architekt Napoleons I. (1769-1821) vermittelte ihn an Jakob Ignaz Hittorff (1792-1867) und Jean François Joseph Lecointe (1783-1858). Sie waren „Architectes du Roi pour les Fêtes et Cérémonies“ unter den 1814 zurückgekehrten Bourbonen. Hittorff und Lecointe beteiligten Zanth an allen Gestaltungen für die königlichen Festivitäten in Paris und Reims. Zudem wirkte er an privaten Bauaufträgen seiner Vorgesetzten mit. Darüber hinaus besuchte er die Akademie und hörte Vorlesungen an der Universität.

1822 bis 1824 durfte Zanth Hittorff auf eine ausgedehnte Italienreise begleiten. Auf Sizilien machten sie eine bahnbrechende Entdeckung: Die griechische Architektur des Altertums war nicht völlig steinsichtig, sondern in etlichen Teilen farbig gefasst. Diese archäologisch belegten Beobachtung publizierten sie ab 1827 und lösten damit in Fachkreisen den legendären „Polychromiestreit“ aus, der die Architektur der folgenden Jahrzehnte maßgeblich beeinflusste: Nachdem der Klassizismus die Farbe weitgehend aus der Baukunst verbannt hatte, kehrte sie nun wieder ins Baugeschehen zurück.

Über die Jahre verlor Zanth den Kontakt nach Stuttgart nie, auch weil seine Mutter sich dort niedergelassen hatte. Als die französische Julirevolution 1830 zur Auflösung der „Fêtes et Cérémonies“ führte und Zanth daher seinen Posten verlor, zog er im Winter 1831/32 an den Neckar. Er promovierte 1832 in Tübingen mit einer archäologischen Abhandlung über die Wohnhäuser von Pompeji. Bei einem Kuraufenthalt in Jagstfeld 1833 lernte er die Prinzessinnen Marie (1816-1887) und Sophie (1818-1877), Töchter König Wilhelms I. von Württemberg (1781-1864), kennen. Er gab ihnen Zeichenunterricht und überließ ihnen einige Arbeiten. Wahrscheinlich wurde der König durch diese Werke auf Zanth aufmerksam.

1834 rief Freiherr Ferdinand von Palocsay Zanth nach Ungarn, um verschiedene Bauten zu errichten und ein abgebranntes Dorf wiederaufzubauen; nur letzteres Projekt wurde umgesetzt. Nach diesem Intermezzo konnte Zanth 1835 mit dem grundlegenden Umbau der Druckerei des Cotta-Verlages (im heutigen Gerber-Viertel) seine erste Planung in Stuttgart verwirklichen. Über Johann Georg Cotta (1796-1863) gelang es ihm, sich mehr und mehr in den Stuttgarter Gelehrten- und Literatenkreisen zu etablieren. Für den Privatgelehrten Friedrich Notter (1801-1884) errichtete Zanth 1835 bis 1838 den unterhalb der Solitude gelegenen „Bergheimer Hof“. Die Gestaltung war von sogenannter anonymer italienischer Landhausarchitektur inspiriert, wie es um 1800 von Frankreich ausgehend Mode geworden war. Beim Äußeren und Inneren zeigte Zanth pompejanisches Dekor. So muss sich allenthalben farbiger Überschwang entfaltet haben. Der Verleger Adolf Kröner (1836-1911) erwarb das Anwesen 1890 und stellte das stark veränderte Gesamtbild wieder her. Umso bedauerlicher ist die Zerstörung 1945.

Nachdem Zanth 1835/36 für den Großhändler Adolf Goppelt (1800-1875) ein palaisartiges Haus in Heilbronn erbaut hatte (1945 zerstört), folgte in Stuttgart ein Auftrag aus Hofkreisen. 1837 ließ sich Freiherr Wilhelm August von Taubenheim (1805-1894) an der Neuen Weinsteige ein Landhaus errichten (stark verändert erhalten). Da das Grundstück in Degerloch lag, das damals noch nicht zu Stuttgart gehörte, konnte Zanth die Bauvorschriften der Residenz umgehen und großzügiger planen. Es gelang ihm ein Bravourstück, das alle zeitgemäßen Tendenzen in sich vereinigte: Der herbe Klassizismus wurde durch Anregungen der italienischen Renaissance, insbesondere von Andrea Palladio, gemildert. Gleichzeitig zeigt sich Zanths Blick von der Architekturtheorie Jean Nicolas Louis Durands (1760-1834) beeinflusst. Es entstand italianisierende Architektur, wahrgenommen aus französischer Perspektive.

Auf der Wolframshalde wünschte sich Freiin Ernestine von Koenig-Warthausen (1805-1861) ein Domizil (später „Villa Rebenberg“; 1910 abgebrochen). Mit dieser klassischen „italienischen“ Villa, bestehend aus Landhaus, Ziergarten, Nutzgarten und Wirtschaftsgebäude, schuf Zanth 1838 das erste „moderne“ Landhaus innerhalb der damaligen Stadtgrenzen. Die exponierte Lage und die architektonische Gestaltung sorgten für Aufsehen, die pompejanische Auszierung nicht minder. So wurden Zanths Landhäuser Taubenheim und Koenig-Warthausen gleichsam zu Prototypen der Stuttgarter „Villa in Halbhöhenlage“.

Es erstaunt, dass König Wilhelm I. Zanth, der noch nicht durch Werke aufgefallen war, bereits 1835 dazu aufforderte, sich an der Konkurrenz um ein Theater (anstelle des späteren Königsbaus) zu beteiligen. Die Entwürfe reüssierten, aber eine Ausführung unterblieb. 1836 bis 1838 folgten Pläne für ein „Kunstschul-Gebäude“ (später „Museum der bildenden Künste“, heute Staatsgalerie Stuttgart). Wieder begeisterte sich der König für Zanths Ideen, aber es wurden die Entwürfe Georg Gottlob Barths (1777-1848) verwirklicht. 1855 unterlag Zanth erneut: Seine Entwürfe für den Königsbau gefielen Wilhelm I. zwar am besten, doch die hohen Kostenvoranschläge schreckten ihn ab.

1837 aber war Zanth an ganz anderer Stelle zum Zug gekommen: Er schuf ein Theater für Cannstatt, das spätere „Wilhelma-Theater“. Der elegante Bau erinnert an zwei nicht erhaltene Theater, an deren Ausführung er in seinen Pariser Tagen beteiligt war. Ebenfalls 1837 begannen die Planungen für ein königliches Badhaus im Park Rosenstein. Wilhelm I. wollte es mit Gewächshäusern kombinieren und schickte Zanth deshalb 1838 nach Frankreich, England und Holland, um dort aktuelle Vorbilder zu studieren. Bis 1842 entwickelte Zanth verschiedene Varianten zu dem Vorhaben, das immer größere Züge annahm, die der König jedoch alle verwarf.

1842 beauftragte der König ihn damit, das nun „Wilhelma“ genannte Projekt im „maurischen Stil“ zu errichten. Dass Zanth diesen Stil nicht nur aus Publikationen kannte, sondern ihn 1823/24 auf Sizilien selbst studiert hatte, prädestinierte ihn in den Augen Wilhelms I. für diese Aufgabe. 1846 konnten das Landhaus mit seinen Gewächshäusern und der Pavillon am Neckar mit der Terrakottamauer anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Karl (1823-1891) mit der Großfürstin Olga Nikolajewna (1822-1892) eingeweiht werden. Zanth hatte modernste Gusseisenarchitektur aus heimischer Fertigung mit maurisierender Architektur verknüpft. Die Interieurs verbanden Luxus mit Bequemlichkeit. Sie waren völlig auf die Bedürfnisse des Königs zugeschnitten, der die Wilhelma als ganz privates Refugium betrachtete.

Bis 1851 erweiterte Zanth den Kern der Anlage um das Hippodrom mit seinem regelmäßigen „Inneren Garten“ und den Festsaalbau mit dem englischen „Äußeren Garten“; weitere Baulichkeiten und Dekor folgten. Dass er bei der Disposition der Gesamtanlage Anregungen aus der Schlossbaukunst der Renaissance und des Barock aufgriff, gibt Aufschluss über seinen umfassenden künstlerischen Horizont.

Zwar hatte Wilhelm I. den Architekten 1844 geadelt und 1845 zum Hofbaumeister ernannt, aber Zanth war zu diesem Zeitpunkt durch dessen Zurücksetzungen enttäuscht. Außerdem war er von den aufwendigen Arbeiten an der Wilhelma strapaziert und nicht zuletzt durch die Anforderungen seitens des wankelmütigen Auftraggebers zermürbt. Seine zarte Gesundheit und labile seelische Verfassung verschlechterten sich bis 1850 zusehends. Seine Äußerungen gegenüber Freunden tragen oftmals den Ton tiefer Resignation. Im Lauf der Jahre hatte sich Zanth auch anderweitig um Anstellungen bemüht, war aber letztlich überall gescheitert.

In den letzten Lebensjahren konzentrierte Zanth all seine Kräfte darauf, sein Opus magnum, die Wilhelma, zumindest einem Fachpublikum bekannt zu machen. Nach langem Zögern erhielt er von Wilhelm I. die Erlaubnis, Ansichten des Ensembles zu veröffentlichen. Die Prachtpublikation „Die Wilhelma. Maurische Villa […] Entworfen und erbaut von L. von Zanth“ erschien 1856.

Zanth war Mitglied der Akademien in Mailand, Paris, Berlin, München und des Royal Institute of British Architects. Unter seinen Auszeichnungen ragt das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion heraus. 1856/57 unternahm Zanth eine Reise nach Rom. Wahrscheinlich hat er sich dort eine Erkältung zugezogen, von der er sich nicht mehr erholte. Auf dem Totenbett erhielt er das Kommandeurskreuz des Ordens des Hl. Stanislaus, da sich Kaiser Alexander II. von Russland (1818-1881) von der Wilhelma begeistert zeigte. Am 7. Oktober 1857 starb Zanth. Er wurde auf dem Hoppenlaufriedhof beigesetzt. Noch 1898 urteilte August Wintterlin: „Z[anth] gehört unstreitig in die erste Reihe der deutschen Baumeister jener Zeit; seine reichgebildete und liebenswürdige Persönlichkeit steht noch heute in Stuttgart in freundlichstem Andenken.“

Text: Michael Wenger
Schlagwort: Stuttgart-Bad Cannstatt
Literaturhinweise:

Maximilian Friedrich Grimm, Die historische Wilhelma. Faszination Orient im 19. Jahrhundert (Punctum 25), München 2016.
Annemarie Röder, Michael Wenger (Hg.), Karl Ludwig von Zanth. Der Erbauer der Wilhelma in seiner Zeit, Stuttgart 2012.
August Wintterlin, Zahnth, Ludwig, in: ADB 44, Leipzig 1898, S. 689-690.

GND-Identifier: 119440644
Publiziert am: 16.03.2022
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wenger, Karl Ludwig von Zanth (1796-1857), publiziert am 16.03.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/5b142c05-89dc-43dc-8b95-8d312e40f9a6/Karl_Ludwig_von_Zanth.html