Möglicherweise beeinflusst durch Jean Bodins „Les six livres de la république“ (1576) versuchte Herzog Friedrich I. (1557-1608) von Württemberg, die Wirtschaft in seinem Territorium zu stärken und auszubauen. Zu diesem Zweck investierte er in Infrastrukturprojekte wie die Schiffbarmachung des Neckars zwischen Cannstatt und Heilbronn und begann, den Handel zu stärken, was wiederum höhere Zolleinnahmen versprach. Des Weiteren förderte er einzelne Industriezweige und war an der Nutzbarmachung sowie der Erschließung von Bodenschätzen interessiert. In diesem Kontext ist – neben persönlichem Interesse, das sich u.a. in einem Briefwechsel mit Graf Wolfgang von Hohenlohe über alchemische Prozesse und Experimente zeigt – Friedrichs Fokus auf die Alchemie zu sehen: Für Bergwerksspezialisten und Alchemiker bestand ein Zusammenhang zwischen beiden Disziplinen. Zum einen besagte eine zeitgenössische Theorie über die Entstehung der Metalle, dass diese in der Erde reiften, also unedle Metalle sich im Laufe der Zeit zu edlen Metallen entwickelten. Alchemiker suchten diesen Vorgang im Labor zu beschleunigen, meist auf Basis von Blei, welches idealerweise zu Gold reifen sollte. Außerdem arbeiteten beide Disziplinen an möglichst effizienten Methoden zur Ausbeutung der Bodenschätze. Da Friedrichs ökonomische Pläne ebenso wie seine Hofhaltung kostspielige Angelegenheiten waren, wären ihm weitere, über eine geglückte Transmutation generierte Geldmittel durchaus gelegen gekommen.
Die große Bedeutung, die Friedrich I. der Alchemie beimaß, lässt sich vor allem daran ablesen, dass er bereits wenige Monate nach seinem Regierungsantritt damit begann, bestehende Gebäude zu Laboratorien umnutzen zu lassen. So wurden während seiner Regierungszeit u.a. im Neuen Spital in Stuttgart, im Marbacher Haus Johannes Osianders – Sohn des früheren Hofpredigers Lucas Osiander – sowie auf dem Freihof in Kirchheim/Teck laboriert. Das mutmaßlich größte Labor, das mit der Zeit die Funktion eines Zentrallabors für die anderen Laboratorien übernahm und diese mit Materialien und Substanzen belieferte, war das Labor im Alten Lusthaus in Stuttgart.
Das 1553 bis 1556 errichtete Lusthaus, das anfangs vor allem für Festlichkeiten gedacht und genutzt wurde, bildete den Mittelpunkt des unter Herzog Christoph erweiterten und neu gestalteten Lustgartens. Der unterkellerte Steinbau vom Typ eines regelmäßigen Eckturmbaus verfügte über ein Erd- sowie ein Obergeschoss. In dessen Mitte befand sich ein Saal, links und rechts davon jeweils ein Zimmer mit je zwei Erkern in den Ecken. Im Erdgeschoss standen sechs kleinere Zimmer zur Verfügung. Sowohl die einstige prächtige Ausstattung des Saals wie auch die im Gebäude aufgestellten antiken Objekte wurden wahrscheinlich im Zuge des Umbaus zum Laboratorium entfernt. Nicht abgeräumt, da sie für den Betrieb des Labors von großem Nutzen waren, wurden hingegen das Wasserwerk sowie der Monumentalkamin im Obergeschoss – eine Feuerstelle war schließlich der zentrale Einrichtungsgegenstand in einem Alchemielabor. Gute Vorrausetzungen für die Umnutzung bot auch die große Anzahl von Fenstern, die für eine gute Beleuchtung und Durchlüftung der Räumlichkeiten sorgte. Zudem barg die Lage einige Vorteile: Da das Lusthaus freistehend war, konnten durch etwaige missglückte Experimente keine anderen Gebäude in Mitleidenschaft gezogen werden, auch wurde der Hof nicht durch Gestank- und Rauchentwicklung belästigt. Andererseits konnte Friedrich I. das Labor durch die räumliche Nähe zum Alten Schloss jederzeit aufsuchen, die Fortschritte überprüfen oder an seinen eigenen alchemischen Versuchen arbeiten.
Spätestens im Sommer 1596 war der Umbau abgeschlossen und das Labor konnte den Betrieb aufnehmen. Vermutlich ebenfalls um diese Zeit entwarf Friedrich eigenhändig eine 16 Punkte umfassende Laborordnung – ein weiteres Indiz dafür, dass das Alchemielabor im Alten Lusthaus ‚Chefsache‘ war. Diese „Statt und Ordnung, wie sie sich in ihren anbefohlenen verrichtungen verhalten sollen“ regelte insbesondere den Umgang mit angelieferten Materialien sowie den vorhandenen Geldmitteln und die Verpflegung des Gesindes und der Arbeiter. Für die Schreib- und Verwaltungsarbeiten waren zwei Skribenten bzw. Buchhalter angestellt; die Aufsicht über die Arbeiten im Labor hatte ein sogenannter Inspektor. Neben seinen eigenen Laborarbeiten hatte er darauf zu achten, dass an den tatsächlich beauftragten Prozessen gearbeitet wurde und keine Materialien veruntreut wurden.
Einen ausschnitthaften Eindruck, was Gerätschaften und Materialien sowie Personal und Arbeitsprozesse anbelangt, liefert ein Inventarium, das nach Friedrichs Tod von den beiden Hofmedici Abraham Schopf und Ulrich Porta gemeinsam mit dem Laboratoriumsinspektor Christoph Wagner angefertigt wurde.
Demnach waren Anfang 1608 im Labor acht Personen beschäftigt: Ein Inspektor, drei Laboranten, ein Töpfer oder Ofenbauer, zwei Knechte für einfachere Handarbeiten sowie ein Kammerjunge. Über die gesamte Regierungszeit Friedrichs waren, vom Diener bis zum Skribenten, annährend 50 Personen im Alten Lusthaus angestellt. Manche von ihnen blieben nur wenige Wochen, wie der Goldschmied Hans Georg Knittinger, der von April bis Juni 1598 dort arbeitete. Andere, wie der Bossler Konradt Eckart oder der Inspektor Christoph Wagner, laborierten über ein Jahrzehnt für den Herzog. Eckart wurde außerdem – nach einer kurzen Unterbrechung nach Friedrichs Tod – von 1611 bis 1628 von dessen Sohn und Nachfolger Herzog Johann Friedrich (1582-1628) beschäftigt. Insgesamt betrachtet lässt sich im Labor im Alten Lusthaus, einigen kürzeren Beschäftigungsverhältnissen zum Trotz, personelle Kontinuität beobachten. Anders verhält es sich mit den sogenannten Spezialisten – zum Teil berühmte Alchemiker wie z.B. Michael Sendivogius, Rat und Alchemiker Rudolfs II., die Friedrich an seinen Hof zu ziehen versuchte. Diese Hofalchemiker – der Herzog probierte elf verschiedene aus, von denen einige ihr Engagement mit dem Leben bezahlten – erwiesen sich häufig als Betrüger. Abgesehen von Georg Honauer und Michael Heinrich Wagemann laborierten sie allerdings nicht im Alten Lusthaus. Neben seinen festangestellten Laboranten hatte der Herzog außerdem einige ‚freie Mitarbeiter‘, die bisweilen das Stuttgarter Labor besuchten und von dort auch mit Materialien und Geräten beliefert wurden.
Hinsichtlich der vorhandenen Gerätschaften unterscheidet das Inventarium zwar nur teilweise zwischen dem Zentrallabor im Alten Lusthaus und anderen kleineren, über den Schlossgarten verteilten Laboratorien bzw. dem Labor im Neuen Spital, doch werden die Dimensionen des sehr gut ausgestatteten Labors deutlich. So reflektierte die Ausstattung durchaus den Personalkörper und war geeignet, mehreren Laboranten gleichzeitig das Arbeiten zu ermöglichen. Dies war selbst dann realisierbar, wenn einzelne Instrumente durch zeitaufwendige Prozesse blockiert wurden: Die meisten Geräte, viele davon ursprünglich aus dem Arbeitsbereich von Apothekern, Goldschmieden, Färbern und Metallurgen, waren in bemerkenswert hoher Stückzahl vorhanden. Neben den in großer Menge erwartbaren Gläsern, Kolben, Schalen, Schmelztiegeln, Kesseln, Mörsern und Stößeln, Probiersteinen etc. verfügte das Zentrallabor im Lusthaus nicht nur über mehrere (Probier-)Waagen sowie die zugehörigen Gewichte, sondern auch über mindestens zwölf tragbare (Destillier-)Öfen; darunter wahrscheinlich auch wenigstens ein sogenannter „Fauler Heinz“, der es erlaubte, Arbeiten durchzuführen, die über einen längeren Zeitraum eine konstante Temperatur benötigten. Des Weiteren waren vier Balnea Mariae sowie entsprechendes Zubehör vorhanden. In diesen wannenartigen Behältern konnten in einem Wasser-, Asche- oder Sandbad Substanzen warmgehalten bzw. geringer Hitze ausgesetzt werden, ohne direkt mit Feuer in Kontakt zu kommen. Gesondert hervorgehoben wird schließlich ein besonders schöner und vermutlich teurer sogenannter Pelikan. Dieses Gerät zur Durchführung von Zirkulardestillationen war eigens in Venedig beschafft worden.
Entsprechend den zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme im Lusthaus vorhandenen Materialien, lag der Schwerpunkt der Arbeiten auf der Metalltransmutation sowie der Qualitätsprüfung von Metallen. Vorhanden waren u.a. die elementaren alchemischen Substanzen Quecksilber und Schwefel, letzteres in sehr großen Mengen (48,5 Pfund), außerdem über 40 Pfund Blei, 30 Pfund Salpeter, verschiedene Scheidewasser – Acqua fortis und Acqua regis –, daneben zwei Varianten Arsenik, mehrere Vitriole sowie unterschiedliche Salze und Kalke. Einige weitere Substanzen lassen sich zudem mit der paracelsischen Medizin in Verbindung bringen: Hinter dem aufgeführten „Bergk Antimonium“ verbarg sich wahrscheinlich Grauspießglanz, das nicht nur zur Trennung von Gold- und Silberlegierungen eingesetzt wurde, sondern auch als Arznei Verwendung fand. Crocus martis, wovon ein „Fässlein“ vorhanden war, sollte gegen Koliken helfen, das als Augstein bezeichnete weiße Vitriol war in der Augenheilkunde gängig, und Korallenwasser galt als Blutreinigungsmittel.
Mit den aufgeführten Materialien korrespondieren auch die Prozesse und Rezepte, an denen um die Jahreswende 1607/08 gearbeitet wurde, wobei einige davon bereits über Monate oder Jahre im Gange waren: Die meisten Laboranten beschäftigten sich mit der Herstellung von Projektionsmitteln oder der Vermehrung von Tinkturen, die ebenfalls zur Metalltransmutation gedacht waren. Daneben wurde an einem Aurum potabile, sogenanntes Trinkgold, einer als hochwirksam geltenden Arznei, gearbeitet. Außerdem scheinen Rezepte und Prozesse von anderen Alchemikern überprüft worden zu sein. So untersuchte Christoph Wagner ein aus Prag geliefertes „Rost Wasser“ auf seine Tingierfähigkeit und überprüfte ein Verfahren, das vermutlich von Leonhard Thurneisser stammt, während der Kammerjunge Andreas das Werk eines Gerbelius von Straßburg kontrollierte.
Nach Friedrichs Tod 1608 wurde noch bis mindestens 1628/29 im Alten Lusthaus laboriert, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Umfang. So zeigten sein Sohn Johann Friedrich sowie seine Witwe Herzogin Sybilla ebenfalls Interesse an der Alchemie. Sie schlossen daher am 27. März 1610 mit dem unter Friedrich inhaftierten Alchemiker Andreas Reiche aus Salzwedel einen Vertrag, dass dieser sie in der Kunst unterrichte. Dieses Arrangement bestand vermutlich bis 1613, als Reiche eine Anstellung bei Markgraf Ernst Joachim von Brandenburg-Ansbach annahm. Der ab 1628 regierende Eberhard III. wiederum scheint keinen Hang zur Alchemie gehabt zu haben. Unter ihm erfolgte die nächste Umnutzung des Gebäudes: Bevor es 1750 dem Bau des Neuen Schlosses weichen musste, beherbergte das Alte Lusthaus zwischen 1669 und 1746 die herzogliche Kunstkammer.