Das Landesarchiv Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart umfasst alle baden-württembergischen Staatsarchive. Es verwahrt die historische Überlieferung des Bundeslandes Baden-Württemberg seit 1952 und seiner Vorgängerterritorien seit dem Mittelalter.

Das Landesarchiv Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist die für alle Aufgaben des staatlichen Archivwesens in Baden-Württemberg zuständige Fachbehörde. Dazu gehört auch die Ausbildung archivischer Fachkräfte im Land. Standorte des Landesarchivs befinden sich über Stuttgart hinaus in Ludwigsburg, Karlsruhe, Freiburg, Sigmaringen, Wertheim und Neuenstein sowie seit 2012 in Kornwestheim. Rechtlich gesehen ist das Landesarchiv eine Landesoberbehörde im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Grundlage für seine Arbeit ist das Landesarchivgesetz. Insgesamt ist das Landesarchiv eine Institution mit mehrdimensionaler Ausrichtung: als Dienstleister und Partner der Landesverwaltung, als landeskundliches Kompetenzzentrum sowie als außeruniversitäre Forschungseinrichtung. In der aktuellen Form gibt es das Landesarchiv erst seit dem Jahr 2005. Damals wurden im Zuge einer Verwaltungsreform die vormalige Landesarchivdirektion Baden-Württemberg mit den bis dahin eigenständigen Staatsarchiven zu einer gemeinsamen Einrichtung verbunden.

Vorrangige Aufgabe des Landesarchivs als Dienstleister für Verwaltung und Justiz ist es, Archivgut als Teil des kulturellen Erbes und der Erinnerungskultur zu sichern, zu erhalten und zugänglich zu machen. Rückblickend wird so Transparenz des Regierungs- und Verwaltungshandelns sowie der Rechtsprechung hergestellt und eine kritische Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ermöglicht. Zu den über 170 laufenden Kilometern Archivgut und weiteren rund 154 laufenden Kilometern Grundbuchunterlagen, die bisher von den Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes übernommen wurden, zählen insbesondere die historische Überlieferung des Bundeslandes Baden-Württemberg seit 1952 und seiner Vorgängerterritorien seit dem Mittelalter.

Das Landesarchiv macht als landeskundliches Kompetenzzentrum das Archivgut allgemein nutzbar und betreibt eine umfangreiche Vermittlungs- und Bildungsarbeit. Es wirkt damit aktiv an der kulturellen und historisch-politischen Bildung mit. Nutzung und Vermittlung erfolgen sowohl vor Ort in den Staatsarchiven als auch über ein umfassendes Online-Angebot, zu dem auch das Landeskundeportal „LEO-BW – Landeskunde entdecken online“ gehört.

Darüber hinaus ist das Landesarchiv Teil der Informations- und Forschungsinfrastruktur des Landes. Es beteiligt sich als außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtung an der auf das Archivgut und das Land Baden-Württemberg bezogenen Forschung und bearbeitet archiv- und informationswissenschaftliche Forschungsprojekte. Seit 2021 gehört auch die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus am Standort Generallandesarchiv Karlsruhe zum Landesarchiv. Darüber hinaus wurden seit 2012 in mehreren Projekten zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der Nachkriegszeit umfangreiches Quellenmaterial ausgewertet, über 1.800 ehemalige Heimkinder bei der Suche nach Spuren ihrer Vergangenheit unterstützt und zahlreiche Einzelschicksale rekonstruiert.

Über das Land hinaus engagiert sich das Landesarchiv im Bereich der Digitalisierung, digitalen Erhaltung und Präsentation von Kulturgut und war maßgeblich am Aufbau der Online-Angebote Europeana und Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) beteiligt – den wichtigsten Plattformen für den interdisziplinären digitalen Nachweis des Kulturerbes in Europa und Deutschland. Eng mit der DDB verbunden ist das vom Landesarchiv fachlich koordinierte nationale „Archivportal-D“. Weiterhin beteiligt sich das Landesarchiv aktiv am Nestor-Kompetenznetzwerk für die Langzeitarchivierung digitaler Information. Im Rahmen der Initiative zum Aufbau einer „Nationalen Forschungsdateninfrastruktur“ (NFDI) wird es sich in ein Konsortium für historisch arbeitende Geisteswissenschaften einbringen und betreibt dafür bereits das projektbasierte Forschungslabor FDMLab@LABW.

Die Zentrale des Landesarchivs in Stuttgart befindet sich im Gebäude der ehemaligen Landesarchivdirektion in der Eugenstraße 7. Das Haus wurde 1897/98 von den Architekten Carl Beisbarth junior und Jacob Früh für den Fabrikanten Gustav Benk im historisierenden Stil als Mehrfamilienhaus für zahlungskräftige Mieter erbaut. Zwischen den Weltkriegen wurde das Haus, das Julius Eppstein 1919 gekauft hatte, vorwiegend von Geschäftsleuten, Offizieren und Beamten mit ihren Familien bewohnt. Die Eppsteins, die eine gut gehende Schuhwaren-Großhandlung betrieben, wurden in der NS-Zeit Opfer der Judenverfolgung. Die Nachkommen der Familie, denen das Gebäude erst 1951 zurückerstattet worden war, verkauften das Haus 1978 an das Land Baden-Württemberg.

Nicht weit davon entfernt – ebenfalls im sogenannten Kulturquartier – steht in der Konrad-Adenauer-Straße 4 das Hauptstaatsarchiv, das das Ministerialarchiv des Landes Baden-Württemberg und zugleich das Archiv der ehemaligen württembergischen Zentralbehörden ist. Die dort zugängliche Überlieferung reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück. Bis 1806 umfasst sie die Unterlagen aller württembergischen Behörden, dazu kommen die Archive der am Anfang des 19. Jahrhunderts angefallenen geistlichen und weltlichen Herrschaften sowie der Städte im südlichen Landesteil. Als Ministerialarchiv des Landes übernimmt das Hauptstaatsarchiv heute die Unterlagen der obersten Landesbehörden (Landesregierung, Ministerien und Staatsgerichtshof), denen bleibender Wert zukommt. Die Unterlagen der Staatsbehörden werden durch Überlieferungen nichtstaatlicher Herkunft und durch Sammlungen ergänzt. Dazu zählen neben dem Sportarchiv beispielsweise die Nachlässe von Politikern wie der Ministerpräsidenten Reinhold Maier und Gebhard Müller, aber auch Material zu den Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen seit 1952. Eine besondere Einheit innerhalb des Hauptstaatsarchivs existiert seit 1990 mit dem Audiovisuellen Archiv in der Olgastraße 80, das Film- und Tondokumente archiviert. Seit 2015 ist das Hauptstaatsarchiv auch für das Archiv des Landtags von Baden-Württemberg zuständig.

Durch die Lage mitten im Kulturquartier Stuttgarts erhält das Hauptstaatsarchiv ein besonderes Profil. Als Schaufenster des Landesarchivs Baden-Württemberg in der Landeshauptstadt zeigt es in seinem Foyer wechselnde thematische Präsentationen und Ausstellungen. Das Haus beteiligt sich regelmäßig an der Langen Nacht der Museen und pflegt die Zusammenarbeit mit zahlreichen Kulturinstitutionen in der Stadt. Zu seinem festen Programm gehören vielfältige Veranstaltungen und Führungen.

Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart konnte 1969 das heutige Gebäude in der Konrad-Adenauer-Straße beziehen, das als Archivzweckbau konzipiert worden war. Das denkmalgeschützte Haus ersetzt einen Vorgängerbau, der 1944 bei einem Luftangriff stark beschädigt wurde. Der Neubau war Bestandteil einer auf Horst Linde zurückgehenden Idee einer Stuttgarter Kulturmeile. Auch die 1975 geschaffene Landesarchivdirektion Baden-Württemberg war zunächst im Hauptstaatsarchiv untergebracht, bis sie 1978 in die Eugenstraße 7 umzog.

Die Anfänge des heutigen Hauptstaatsarchivs liegen im Jahr 1482, als Graf Eberhard im Bart von Württemberg nach der Wiedervereinigung Württembergs durch den Münsinger Vertrag eine Neuorganisation seiner Verwaltung einleitete. Mit der Trennung der Hofregistratur von der Kanzlei entstand ein sogenanntes Auslesearchiv, das im Alten Schloss in einem Archivanbau untergebracht war. Die Erhebung Württembergs zum Königreich im Jahr 1806 ging mit bedeutenden Gebietserweiterungen einher. Mit den neu erworbenen Gebieten (Herrschaften, Klöstern, Reichsstädten) gingen auch deren Archive an Württemberg über, verblieben aber zunächst noch an ihren ursprünglichen Lagerorten. 1817 vereinigte König Wilhelm von Württemberg das Haus- und Staatsarchiv unter dem Namen „Königliches Archiv“ und unterstellte es dem Departement der auswärtigen Angelegenheiten. Seit 1820 gab es schließlich eine „Königliche Archivdirektion“ als Zwischenbehörde zwischen Archiv und Ministerium. Um die im Land zerstreuten Archive und Depots zusammenzuführen, benötigte man größere Archivräume. Im Jahr 1826 konnte das neue Archivgebäude in der Neckarstraße – heute Konrad-Adenauer-Straße – an der Stelle des heutigen Hauptstaatsarchivs bezogen werden. Im Erdgeschoss war das Archiv untergebracht, im ersten Stock das königliche Naturalienkabinett.

Neben dem Staatsarchiv in Stuttgart bestanden zunächst weiterhin Filialarchive in Ellwangen und Mergentheim sowie ein Nebenarchiv in Stuttgart. Sie wurden 1868/69 in dem neu errichteten Filialarchiv Ludwigsburg im dortigen Residenzschloss vereinigt. Die Verwaltungsunterlagen der württembergischen Ministerien verblieben im 19. Jahrhundert weitgehend in den Registraturen. Mit Gründung des Volksstaates Württemberg 1919 wurden die Württembergische Archivdirektion bzw. das Haus- und Staatsarchiv dem Staatsministerium unterstellt. 1921 wurde das private Archiv des Hauses Württemberg vom staatlichen abgetrennt und befindet sich seitdem in Altshausen. 1938 wurde das württembergische Staatsarchiv erstmals als „Hauptstaatsarchiv“ bezeichnet. Mit der Gründung Baden-Württembergs im Jahr 1952 wurde das frühere württembergische Hauptstaatsarchiv Ministerialarchiv des ganzen Bundeslandes. Der Leiter des Hauptstaatsarchivs war in Personalunion als Berichterstatter für das staatliche Archivwesen zugleich Leiter der Archivdirektion Stuttgart, die direkt dem Staatsministerium unterstellt war. Eine oberste Archivbehörde für das gesamte staatliche Archivwesen, die Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, wurde erst mit der Organisationsreform von 1975 geschaffen. Dabei wurde eine zweistufige Archivverwaltung für die gesamte staatliche Archivverwaltung eingeführt. Im Zuge einer großen Verwaltungsreform im Jahr 2005 wurden die bisherige Landesarchivdirektion und die selbstständigen Staatsarchive schließlich in das neu gegründete Landesarchiv Baden-Württemberg überführt.

Text: Gerald Maier
Schlagworte: Stuttgart-Mitte, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

 

 

Literaturhinweise:

www.landesarchiv-bw.de
www.leo-bw.de
Einführung in die Übersicht über die A-Bestände des Hauptstaatsarchivs, in: Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Altwürttembergisches Archiv (A-Bestände), bearbeitet von Hans-Martin Maurer/Stephan Molitor/Peter Rückert (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Bd. 32), Stuttgart 21999, S. 11-23.
Udo Herkert, Stuttgart Eugenstraße 7. Ein Haus mit Geschichte beim Haus der Geschichte, in: Archivnachrichten 47 (2013), S. 43.
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Robert Kretzschmar, Zögerlicher Pragmatismus ohne Vision. Das württembergische Archivwesen nach 1800, in: Umbruch und Aufbruch. Das Archivwesen nach 1800 in Süddeutschland und im Rheinland. Tagung zum 200-jährigen Bestehen des Generallandearchivs Karlsruhe am 18./19. September 2003 in Karlsruhe (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Bd. A 20), Stuttgart 2005, S. 215-280.
Hans-Martin Maurer, Vom Geheimen Archivariat zur Archivdirektion als Landeskollegium. Archivverwaltung und Archivare im Behördengefüge der frühen württembergischen Monarchie, in: Archiv und Öffentlichkeit. Aspekte einer Beziehung im Wandel. Zum 65. Geburtstag von Hansmartin Schwarzmaier, hg. von Konrad Krimm/Herwig John (Werkhefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Bd. A 9), Stuttgart 1997, S. 31-60.
Roland Müller, Standort und Funktion. Zur Geschichte des Hauptstaatsarchivs und der Stuttgarter Kulturmeile im 19. Jahrhundert, in: Aus südwestdeutscher Geschichte. Festschrift für Hans-Martin Maurer, hg. von Wolfgang Schmierer u.a., Stuttgart 1994, S. 653-672.
Wilfried Schöntag, 25 Jahre Landesarchivdirektion: Bilanz und Perspektiven, in: Archivverwaltungen im Systemvergleich – gerüstet für die Zukunft?, hg. von Nicole Bickhoff (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung, Bd. A 16), Stuttgart 2002, S. 25-57.

GND-Identifier: 10107080-9
Publiziert am: 23.06.2022
Empfohlene Zitierweise:
Gerald Maier, Landesarchiv Baden-Württemberg, publiziert am 23.06.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/68894d82-5831-4346-a564-6debff1afff6/Landesarchiv_Baden-Wuerttemberg.html