Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Aus der Zusammenlegung der Württembergischen Kunstgewerbeschule und der Akademie der Bildenden Künste, beides Institutionen mit Wurzeln im 19. Jahrhundert, entstand 1941 die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart mit dem Sitz am Weißenhof.

Die heutige Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart entstand aus mehreren Vorgängerinstitutionen. Der früheste Vorläufer war die Académie des Arts in Ludwigsburg, 1761 von Herzog Karl Eugen gegründet. Dort sollten Maler und Kunsthandwerker zur Ausstattung der Schlösser und Gärten im Herzogtum Württemberg herangebildet werden. Die Académie bestand bis 1794, wobei sich die Lehre in den letzten Jahren nach und nach an die Militärakademie Hohe Karlsschule in Stuttgart verlagerte. Eine offizielle Kunstschule gab es in Württemberg danach erst wieder ab 1829, im Rahmen der „Vereinigten Kunst-, Real- und Gewerbeschulen“. 1843 öffnete das „Museum der bildenden Künste“ in der Neckarstraße (heute Konrad-Adenauer-Straße) seine Pforten, zu dem ebenfalls eine Kunstschule gehörte. Da im Museum, dem heutigen Altbau der Staatsgalerie Stuttgart, der Raum immer knapper wurde, zog der Lehrbetrieb 1880 in ein nahegelegenes Gebäude in der Urbanstraße. 1901 erhielt die inzwischen eigenständige Institution den Titel „Königliche Akademie der bildenden Künste“; es wurden Malerei, Bildhauerei und Grafik gelehrt. Ab 1906 waren, zeitgleich zu den anderen Hochschulen des Landes, Frauen zum Studium an der Kunstschule zugelassen, allerdings in einer eigenen „Damenklasse“ mit verkürzter Studiendauer.

Eine weitere Vorgängerin der heutigen Hochschule, die „Königliche Kunstgewerbeschule“, öffnete 1869 als eine Fachschule des Polytechnikums. Sie war damit eine frühe Vertreterin einer Vielzahl kunstgewerblicher Schulen, die in diesen Jahren reichsweit gegründet wurden. Diese Entwicklung resultierte aus dem gewachsenen Bedarf der Industrie nach materieller und ästhetischer Qualität neuer Produkte, die durch die Weltausstellungen in verstärktem Maße auch international wettbewerbsfähig sein mussten. 1886 wurde die Stuttgarter Schule unabhängig vom Polytechnikum.

Nach dem Vorbild der Münchner „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ wurde 1901 auf Initiative von Leopold von Kalckreuth, dem damaligen Leiter der Akademie der bildenden Künste, und von Carlos Grethe, Professor für Technisches Malen, die „Königliche Lehr- und Versuchswerkstätte“ gegründet. Für die Mitarbeit konnten von den Münchner Werkstätten die Künstler Bernhard Pankok und Otto Krüger abgeworben werden. Die „Versuchswerkstätte“, die ab 1903 unter der Leitung Bernhard Pankoks stand, wurde schnell ausgebaut und umfasste schon nach wenigen Jahren Werkstätten für Möbelbau, Dekorationsmalerei, Metallarbeiten, Keramik, Buchgrafik und Typografie sowie Buchbinderei. Sie wurden in die bestehende Kunstgewerbeschule integriert, die im November 1913 einen Neubau auf dem Weißenhof bezog. Das Gebäude war im staatlichen Auftrag des Königreichs Württemberg von den Architekten Ludwig Eisenlohr und Oscar Pfennig entworfen worden, unter Mitwirkung des Leiters der Kunstgewerbeschule Bernhard Pankok. Ein Jahr später, nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wurde die Kunstgewerbeschule am Weißenhof zur Nutzung als Lazarett beschlagnahmt.

1931 erhielten sowohl die „Württembergische Staatliche Kunstgewerbeschule“ als auch die „Württembergische Staatliche Akademie der bildenden Künste“, wie die beiden Institutionen inzwischen hießen, eine neue vorläufige Verfassung. Die Kunstgewerbeschule war der Akademie, die 1926 zur Hochschule erhoben worden war, untergeordnet. Wie schon mehrmals zuvor kam erneut eine Zusammenlegung der beiden Einrichtungen zur Sprache, wurde aber nicht umgesetzt. Erst zehn Jahre später, am 2. Dezember 1941, wurden die beiden Ausbildungsstätten unter dem Namen „Staatliche Akademie der bildenden Künste“ vereint.

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es an den Stuttgarter Institutionen vereinzelte Relegationen von Studierenden aus politischen Gründen. Auf Seiten der Professoren kam es zu Rücktritten oder Versetzungen in den Ruhestand, denen mit einiger Wahrscheinlichkeit politische Umstände zu Grunde lagen. So legte zum Beispiel Heinrich Altherr, seit 1913 Professor für Malerei und Komposition an der Akademie, 1938 sein Amt nieder, nachdem im Jahr zuvor eines seiner im Bestand der Staatsgalerie Stuttgart befindlichen Gemälde als „entartete Kunst“ beschlagnahmt wurde. Er verließ Stuttgart und kehrte in seine Schweizer Heimat zurück.

In den Bombenangriffen der Kriegsjahre wurden die meisten Gebäude, in denen zuvor Lehrstätten untergebracht waren, teilweise oder völlig zerstört. 1944 wurde die Akademie kriegsbedingt auf einen Minimalbetrieb reduziert. Erneut wurde das Gebäude am Weißenhof teilweise als Lazarett requiriert, außerdem waren mehrere Stuttgarter Firmen dorthin ausgelagert.

Nachdem der vorherige Direktor Fritz von Graevenitz zu Beginn des Jahres sein Amt niedergelegt hatte, wurde im März 1946, unter der kommissarischen Leitung des Bildhauers Hermann Brachert, die Lehre wiederaufgenommen. Am 5. November erfolgte die offizielle Wiedereröffnung. Noch waren Teile des Campus auf dem Weißenhof verwüstet und die Studierenden mussten, wie auch in den folgenden Semestern, beim Wiederaufbau mit anpacken. Zum ersten Mal jedoch war die Kunstakademie auch räumlich vereint. Der Neuanfang, vom damaligen Kultminister Theodor Heuss in die Wege geleitet, sollte unterschiedliche künstlerische Richtungen, figürliche und gegenstandsfreie, vereinigen. Gründend auf den Erfahrungen mit der Repression der Kunst im Nationalsozialismus, war das Ziel dieses Konzepts die Erschaffung eines Freiraums, aus dem von Politik und Tagesgeschehen „unbelastete“ Kunst in die Gesellschaft wirken sollte. Diese Idee war von Beginn an als Kunst- wie auch als Lehrkonzept wenig tragfähig und trug 1968 zum Bruch zwischen der Schulleitung und den Studierenden bei.

Ab 1953 folgten Hermann Brachert im Rektorenamt Karl Rössing, Manfred Henninger und Rudolf Yelin, jeweils für zwei Jahre. 1959 wurde der Grafiker Walter Brudi Rektor der Akademie. Mit großem Engagement ging er die Probleme der Zeit an, vor allem Raumnot und Unterbesetzung des Lehrkörpers. Seine Bemühungen zeigten Erfolg: In seiner Amtszeit wurde eine Vielzahl neuer Stellen bewilligt, 1968 wurde der heutige „Neubau I“ der Architekten Manfred Aichele und Peter Schenk eingeweiht.

1961 beging man unter Berufung auf die Gründung der Académie des Arts feierlich das 200-jährige Jubiläum der Akademie. In den folgenden Jahren wurden mehrere Professoren berufen, die zu einer Modernisierung der Lehre beitrugen, so z.B. Kurt Weidemann als Lehrer für Information und Grafik oder K.R.H. Sonderborg im Fach Malerei. Dennoch verblieb ein Großteil der Lehre veralteten Inhalten und Strukturen verhaftet. Bald zeigten sich erste Konflikte mit den Studierenden, welche in steigendem Maße Mitspracherechte einforderten. Die Versuche des Rektorats, im Herbst 1967 den politisierten ASTA zu entmachten, beschleunigten die Eskalation, die 1969 schließlich im Rücktritt Brudis gipfelte. Er wurde von dem Innenarchitekten Herbert Hirche abgelöst. Gleichzeitig führten die Proteste zu einer neuen Verfassung der Hochschule, die Studierenden und Beschäftigten Beteiligung zusicherte. In den folgenden Jahren kam es zu einer gesellschaftlichen Öffnung der Akademie, die sich u.a. in Ausstellungen und Publikationen zeigte.

Im Januar 1975 trat ein neues Gesetz zu den Kunsthochschulen des Landes Baden-Württemberg in Kraft, welches eine Gleichstellung derselben mit den Hochschulen bewirkte sowie die Zulassung zum Studium und die Struktur der Studiengänge neu regelte. 1977 wurde Restaurierung als Diplomstudiengang in den Fächerkanon aufgenommen. 1980 erfolgte unter Arno Votteler, Professor für Innenarchitektur und Möbelbau, die Gründung des „Institut für Innenarchitektur und Möbeldesign“ – heute „Weissenhof-Institut“ –, das zur Verbesserung der Produktqualität in diesem Bereich beitragen sollte.

Obwohl es 1972 mit der Errichtung des „Werkstattbaus“ zu einer weiteren baulichen Erweiterung gekommen war, herrschte durch die stark gestiegenen Studierendenzahlen Anfang der 1980er Jahre erneut große Raumnot. Neben der Anmietung verschiedener Provisorien führte dieser Zustand Mitte des Jahrzehnts zum Beschluss für einen weiteren Neubau. Der Bau nach der Planung der Stuttgarter Architekten Mahler, Gumpp und Schuster begann im Sommer 1989, die Arbeiten mussten jedoch nach einer Woche eingestellt werden, da sich herausstellte, dass der Bauplatz mit Schadstoffen kontaminiert war. Erst über ein Jahr später konnten sie wieder aufgenommen und der heutige „Neubau II“ 1994 fertiggestellt werden.

Heute ist die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in vier Fachgruppen – Architektur, Design, Kunst und Kunstwissenschaften sowie Restaurierung – mit insgesamt 14 Studiengängen gegliedert. Sie verfügt über 30 Werkstätten, die den Studierenden analog und digital interdisziplinäres Arbeiten ermöglichen.

Text: Jennifer Schlotter
Schlagworte: Stuttgart-Nord, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

 

 

Literaturhinweise:

Nils Büttner/Angela Zieger (Hg.), Rücksichten. 250 Jahre Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Ein Lesebuch, Stuttgart 2011.
Wolfgang Kermer, „1968“ und Akademiereform. Von den Studentenunruhen zur Neuorganisation der Stuttgarter Akademie in den siebziger Jahren (Beiträge zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Bd. 9), Stuttgart 1998.
Wolfgang Kermer, Daten und Bilder zur Akademiegeschichte, in: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Eine Selbstdarstellung, hg. von Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 1988, S. 16-31.
Sabine Rathgeb, Studio und Vigilantia. Die Kunstakademie an der Hohen Karlsschule in Stuttgart und ihre Vorgängerin Académie des Arts, Stuttgart 2009.
Jörg Wirth, Verbotene Kunst 1933-1945. Verfolgte Künstler im deutschen Südwesten, Stuttgart 1987.
Johannes Zahlten, Urbanstraße 37/39: Kgl. Kunstschule/Akademie der bildenden Künste. Geschichte eines Provisoriums (Beiträge zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Bd. 5), Stuttgart 1986.
Johannes Zahlten, „Die Kunstanstalten zur Staats- und Nationalsache gemacht …“. Die Stuttgarter Kunstakademie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Bd. 2), Stuttgart 1980.

GND-Identifier: 30916-3
Publiziert am: 23.06.2022
Empfohlene Zitierweise:
Jennifer Schlotter, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, publiziert am 23.06.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/74a35fee-7b74-48fb-b4a3-bb5e21a4cf39/Staatliche_Akademie_der.html