Mit der Einweihung seines neuen Gebäudes am 6. Juni 1961 zwischen Oper und Neuem Schloss hatte der Landtag eine einmalige städtebauliche Lage erhalten. Aus dem Ringen um einen neuen Standort und um ein klares Gebäudekonzept mit einer zeitgerechten Fassade entstand ein Klassiker der modernen Architektur. Er ist zur Identität des Landtags geworden. Der Paul-Bonatz-Preis der Stadt Stuttgart von 1963 und der Denkmalschutz von 1989 bestärken dies. Die Gesamtsanierung von 2014 – 2016 ordnete sich diesem Aspekt unter und veränderte sichtbar nur den bislang introvertierten Plenarsaal in einen hellen, einsehbaren Sitzungsraum. Seit 2017 ergänzt ein Bürger- und Medienzentrum das Haus des Landtags.
Vom Ständehaus zum Neubau: Fast 370 Jahre, von 1564 bis 1933, hatten die Landstände und der Landtag des Herzogtums, Königreichs und Volksstaates Württemberg ihren Sitz und Tagungsstätte in der Kronprinzstraße. Der nach dem Krieg neu eingesetzte Landtag war zuerst im Furtbachhaus und später in einem Theatersaal des Eduard-Pfeiffer-Hauses in der Heusteigstraße 45 untergebracht. Am 3. November 1953 wurde hier der Zusammenschluss der drei südwestlichen Länder zum neuen Bundesland Baden-Württemberg beschlossen. Mit dieser gewachsenen politischen Bedeutung des Landtags war es Zeit, nach der Trümmerbeseitigung und dem begonnenen Wiederaufbau der Stadt ein neues Haus zu bauen.
Ein erster Ideenwettbewerb 1954/55 brachte die Entscheidung, dass ein freistehender Baukörper auf dem Gelände zwischen Schloss und Oper einem Ein- oder Anbau am Neuen Schloss vorzuziehen sei. Ein entsprechender Landtagsbeschluss wurde am 9. Juli 1956 gefällt und ein neuer Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Der 1. Preis ging an den Mainzer Architekten Kurt Viertel. Sein quadratischer Landtag mit dem zentralen Plenarsaal begeisterte die Parlamentarier im Preisgericht. Es wurde jedoch eine Überarbeitung notwendig, an deren Ende die weitere Planung und Ausführung von der staatlichen Bauverwaltung unter Leitung von Horst Linde und Architekt Erwin Heinle übernommen wurde.
Haus des Landtags – der Entwurf: Wie ein Solitär steht der Landtag in einem weitläufigen Grünbereich, der mit der Bundesgartenschau 1961 anstelle der ehemaligen, im Krieg zerstörten Karlsakademie hinter dem Neuen Schloss und dem königlichen Reithaus geschaffen wurde. „Für die Architekten war es zwar eine schwierige, aber auch reizvolle Aufgabe, eine politisch-geistige Idee – das Parlamentsgebäude als Mittelpunkt des politischen Geschehens – umzusetzen in eine zeitgemäße und sachgerechte architektonische Ausdrucksform.“ (Erwin Heinle)
Die Grundfläche des Landtages beträgt ca. 54 x 54 m, seine Höhe über Gelände ca. 12 m. Die oberen zwei Ebenen sind den Parlamentariern und ihrer Verwaltung vorbehalten, das Erdgeschoss als Foyer für Besucher „als Plattform der Demokratie, wo sich die Bürger und Abgeordnete zum Gespräch vereinen können“ (Horst Linde). Der Plenarsaal als wichtigster Raum liegt in der Mitte des quadratischen 3-geschossigen Gebäudes und beansprucht die beiden oberen Geschosse. Ihn umgeben U-förmig drei außenliegende Raumspangen mit Sitzungssälen und Arbeitsräumen, dazwischen nur freie Flurflächen, die mit einer 2-geschossigen Wandelhalle zum Rosengarten abschließen. Im Erdgeschoss öffnet sich eine große Empfangshalle zum Opernhaus bzw. Akademiegarten und wird auf der Nord- und Südseite mit einer Raumspange und einem Restaurant begrenzt. Einläufige und übereinanderliegende Repräsentationstreppen verbinden die Geschosse, zusammen mit weiteren Treppenhäusern und Aufzügen.
Fassade: Das Erscheinungsbild des Landtags wird durch die dunkle Fassade der beiden Obergeschosse bestimmt. Unterschiedlich tief zurückgenommene Fassaden im Erdgeschoss lassen das Gebäude leichter erscheinen und bilden einen umlaufenden Wandelgang mit Marmordecken, weißen Stahlbetonstützen und einem erhöhten Steinsockel. Die Metallglasfassade aus Bronze und graubrauner Kristallspiegelverglasung sollte die Bedeutung und Würde des Gebäudes unterstreichen. Als sie geplant und gebaut wurde, war die Bautechnik solcher „Curtain Walls“ neu, es gab nur einen Vorgänger mit dem Seagram Building in New York (1954–1958) von Mies van der Rohe und Philip Johnson.
Die Fassade wird durch außenliegende vertikale Tragprofile und horizontale Paneelbänder im Deckenbereich gegliedert, dazwischen raumhohe Festverglasungen aufgrund der hohen Schallschutzanforderungen durch den Cityring. Hieraus ergab sich die Klimatisierung des gesamten Gebäudes. In der Wandelhalle spannt sich die Verglasung über beide Geschosse. Nachts erstrahlen Lichtbänder entlang der Fassade, oberhalb der flurseitigen Schrankwände sowie rings um den Plenarsaal und geben Einblicke hinter die Fassade des Landtags. Damit wird optisch die gewünschte „Transparenz des Parlamentsgeschehens“ erreicht.
Konstruktionen: Der Rohbau wurde als Skelettbau in Ortbeton und mit weißen Sichtbeton-Fertigteilstützen hergestellt. Als Konstruktionsraster wurde 9 x 9 m gewählt, aufbauend auf dem Büro- und Fassadenraster von 3 m. 20 cm starke, fugenlose Betondecken werden von einem Unterzugsrost getragen und an den Rasterpunkten gestützt. Der zentrale Plenarsaal wurde mit seinen Betonaußenscheiben in dieses System eingebunden. Die durchgehenden Treppenhauskerne steifen das Bauwerk aus. Die Gebäudelasten werden von ca. 240 Stahlbetonbohrpfählen in tiefere, tragfähige Bodenschichten abgeleitet.
Plenarsaal: Kernstück des Landtags ist der große Sitzungssaal, die „politische Sprechbühne des Landes“. „Den größten Einfluss auf Form, Größe und Ausgestaltung des Plenarsaals übte die Forderung aus, dass bei Diskussionen jeder Abgeordnete von jedem Platz aus sprechen und gehört werden kann“ (Erwin Heinle). Heute wird dies durch moderne Kommunikationstechnik sichergestellt. Eine polygonale Raumform umschließt den zentralen Plenarsaal und seine umlaufende Besucher- und Pressegalerie und integriert zugleich zwei Treppenhäuser, Aufzüge, Toiletten, Presse- und Senderäume. Der Innenraum des Plenarsaals ist durch die halbrunde Anordnung der Abgeordnetenplätze vorgegeben, die in leichtem Gefälle zur erhöhten Regierungsbank abfallen. Somit entspricht er im Grundriss dem früheren Halbmondsaal im Ständehaus.
Materialien des Ausbaus: Neben der Fassade wurden auch im Innenausbau edle und beständige Materialien verwendet: Travertin wurde als Bodenbelag für die Eingangshalle und den umlaufenden Wandelgang eingesetzt, zum Teil auch an einigen Wänden. Marmor an den Decken des äußeren Umgangs gewährleistet einen langlebigen, hellen Kontrast zum Bronzefarbton der Fassade. Bronze und Glas wiederholen sich an den Geländern aller Treppen und Galerien. Stützen, Treppenhauswände und die Treppen in allen Geschossen wurden aus weißem, glatt geschaltem Sichtbeton hergestellt. Alle Wände in den Obergeschossen, auch die flexiblen zwischen den einzelnen Räumen, erhielten glatte oder gegliederte, teilweise schalldämmende Holzverkleidungen in Eiche. Der Fußboden in den oberen Geschoßen ist mit grauem Perlonvelours belegt. Die abgehängten Decken bestehen aus schallschluckenden Blechprofilen.
Kunst am Bau: Eine große Anzahl bedeutender Kunstwerke, Bilder und Plastiken betont wichtige Bereiche: im Erdgeschoß die180 Millionen Jahre alten Holzmadener Schieferversteinerungen, Porträtbüsten von Altpräsidenten des Landtags und ein Triptychon „Paraphrasen zu den Nationalfarben“ von Otto Herbert Hajek; Wandteppiche von Jean Lurcat und Ingeborg Schaeffler-Wolf und in der Wandelhalle die Bronzeplastik „Pferd und Reiter“ des Mailänder Bildhauers Marino Marini.
Umbauten und Generalsanierung: Aufgrund des wachsenden Personalstandes wurde der Landtag 1987 um ein weiteres „Haus der Abgeordneten“ ergänzt (Architekten Zinsmeister/Scheffler). Mit quadratischem Grundriss und Innenhof liegt es auf der anderen Straßenseite und ist mit einem 130 m langen Tunnel mit dem Landtag verbunden. Im „Haus des Landtags“ sind heute nur noch die zentralen Arbeitsräume der Fraktionen, der Landesregierung und der Landtagsverwaltung zu finden.
1987/1988 und noch einmal 2013/2016 wurde der Landtag unter Denkmalschutzauflagen generalsaniert. Architekt Volker Staab konnte 2012 mit seinem Entwurf einer Tageslichtdecke im Plenarsaal mit außen bündigen Oberlichtern überzeugen. Zusätzlich wurden Presseräume unterhalb der Besuchergalerie verlegt zugunsten weiterer und bequemerer Abgeordnetenplätze und – mit konstruktiven Eingriffen in die Betonwände des Plenarsaals – große Fenster zum Foyer eingebaut. In die Fassaden wurden 1988 neue Verglasungen eingesetzt und heute büroseitig durch eine dritte Glasscheibe ergänzt. Das Gebäude wurde energetisch, sicherheitstechnisch, lichttechnisch und baulich heutigen Anforderungen angepasst. Im Innenausbau wurden neue Heiz- und Kühldecken eingebaut, Teppichböden sowie alle Inneneinrichtungen der Arbeits- und Konferenzräume und des Plenarsaals erneuert und Holzwände und -verkleidungen aufgefrischt oder ersetzt. 1992 wurde das Restaurant nach innen erweitert, 2014/2016 saniert und mit einer neuen Küche ausgestattet.
Ein neues Bürger- und Medienzentrum: Im Zuge der Gesamtsanierung wurde ein neues Bürger- und Medienzentrum unterhalb der Grünflächen direkt an den Landtag angebaut. Aus einem Wettbewerb ging der Entwurf von Henning Larsen Architects hervor. Eine kreisrunde Agora auf der Südseite des Landtags und ein Außenaufzug führen hinab in einen Innenhof mit anschließendem Informations-, Konferenz- und Pressebereich. Ein neuer Zugang und Aufzug verbindet dieses Zentrum mit den Ebenen des Landtages.