Der Königsbau zählt zu den stadtbildprägenden Gebäuden der Innenstadt. Er beherrscht die Nordwestseite des Schlossplatzes und dient seit 1860 dem Neuen Schloss als Pendant. Nur das Äußere blieb weitgehend erhalten, während das Innere stark verändert wurde.

Der von Johann Michael Knapp (1791-1861) und Christian Friedrich Leins (1814-1892) errichtete Königsbau besitzt eine monumentale Fassade, die sich auf einem Stufenunterbau erhebt. Sie wird von einer Kolonnade aus 34 Kolossalsäulen und Kolossalpfeilern bestimmt. Den Gleichtakt ionischer Säulen akzentuieren zwei Tempelportiken. Sie folgen der Form des griechischen Antentempels, sind deutlich erhöht und durchbrechen das Gebälk. Ihre Säulen und Pfeiler sind durch korinthische Kapitelle ausgezeichnet. Sie gliedern und rhythmisieren die langgezogene Front. Aus der Distanz verändert sich die Wirkung des Königsbaus wesentlich. Es wird klar, dass die Schauseite frei vor einen „Kernbau“ gestellt ist und ihn kaschiert. Dieser einfacher gestaltete „Kern“ gleicht einem Zweckbau. Die weit vor ihn gerückte Kolonnadenkulisse bildet einen Wandelgang, der Passanten zum Flanieren einlädt.

Erst mit größerem Abstand ist der „Kernbau“ deutlich zu sehen: Über dem abschließenden Gebälk tritt ein architektonischer Aufsatz hervor. Diese „Attika“ ist nur im Mittelteil als Vollgeschoss ausgebildet. In der Diagonalansicht wird die verhältnismäßig geringe Tiefe des Baukörpers erkennbar. Vor die Seitenfronten ist jeweils ein ionischer Portikus in der Form des griechischen „Prostylos“ gestellt. Ursprünglich besaßen beide Portiken Auffahrten und Treppenanlagen. Vom Ehrenhof des Neuen Schlosses aus entfaltet der Königsbau seine Fernwirkung. Erst hier wird seine städtebauliche Funktion als Pendant zum Residenzschloss und wirkmächtiger Abschluss des Schlossplatzes sichtbar.

Die städtebauliche Herausforderung bestand in der Ausrichtung der Königstraße, die nicht parallel zum Ehrenhof des Neuen Schlosses verläuft. Da die Front des Königsbaus dem Verlauf der Königstraße folgt, steht der Baukörper diagonal zum Herrschersitz und konnte daher nicht auf die vom Neuen Schloss ausgehende Symmetrieachse bezogen werden. Höchstwahrscheinlich verzichteten die Architekten auch deshalb auf eine Mittelbetonung der Fassade und schalteten die beiden seitlich angeordneten Portiken ein, mit denen sich dieser Umstand kaschieren ließ.

Eine weitere Schwierigkeit stellt das extrem abschüssige Baugelände dar. Ausgleich hierfür bildet der Stufenunterbau. Um dieses Postament jedoch nicht zu hoch werden zu lassen, ließen die Architekten sowohl in der Kolonnade als auch in der Passage das Bodenniveau Richtung Nordosten absinken. Gleichzeitig mussten sie die Proportionen der Säulen wahren und erhöhten darum deren Postamente im gegenläufigen Sinn nach und nach fast auf das Doppelte. Erst bei eingehender Betrachtung bemerkt man diese architektonischen Kunstgriffe.

Bis der Königsbau 1860 feierlich eröffnet werden konnte, vergingen Jahre der Planung – aber auch der Untätigkeit. Ursprünglich war an der Nordwestseite des Schlossplatzes ein neues Hoftheater vorgesehen. Doch König Wilhelm I. (reg. 1816-1864) formulierte bereits 1816 ein anderes, überaus modern anmutendes Konzept. Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret (1767-1845) fasste es so zusammen: „Nach der Allerhöchsten Intention [sollte] dem Königl[ichen] R[esidenz-]Schloße gegenüber an der Königstraße ein, eine Colonnade und Boutiquen enthaltendes öffentliches Gebäude aufgeführt werden.“ Der König empfahl zudem, ein Café, ein Restaurant mit Billard, einen Tanz- und Festsaal sowie einen Konzertsaal unterzubringen. Der Königsbau war also von Anfang an als Multifunktionsbau gedacht und sollte keinesfalls nur dem Hof vorbehalten sein. Mithilfe der Mieteinnahmen, die durch die Ladengeschäfte zu erwarten waren, sollten sich Teile der Baukosten amortisieren. Selbst den Festsaal konnte man für Feierlichkeiten anmieten. Zwischen dieser Idee von 1816 und der Grundsteinlegung vierzig Jahre später sind zahlreiche Planänderungen und Verzögerungen zu beobachten.

König Wilhelm I. war entschlossen, seiner Residenz ein würdiges Gegenüber zu schaffen. Deshalb ließ er 1818 das Jägerhaus abreißen. Dies befand sich etwa an der Stelle des Musikpavillons und hatte den Blick vom Neuen Schloss bis zur Königstraße versperrt. Nun wurde der sogenannte Redoutensaal – ein mehrfach umgebautes, zuletzt als Ballsaal genutztes Gebäude – sichtbar. Der einfache Bau, der sich an der Stelle des späteren Königsbaus befand, konnte natürlich keinen würdigen „Point de Vue“ (Blickfang) abgeben. Eine ansprechende städtebauliche Lösung fehlte somit nach wie vor.

Zwischen 1833 und 1840 debattierte man nun doch darüber, an dieser Stelle ein neues Hoftheater zu errichten. Entwürfe kamen von Thouret, Giovanni Salucci (1769-1845) und Karl Ludwig von Zanth (1796-1857). Dessen Entwurf fand zwar Anklang, wurde aber wegen zu hoher Kosten abgelehnt. Nun legte Johann Michael Knapp Ideen zu einem „Ball und Concertsaal“ vor. Dies war wieder ein Schritt in die Richtung eines Mehrzweckgebäudes im Sinne des Bauprogramms von 1816. Aber auch dieses Vorhaben blieb auf dem Papier – wie einige weitere Entwürfe zu diesem Thema, die in den nächsten Jahren von verschiedenen Architekten eingereicht wurden.

Erst 1852/53 griff der König selbst seinen ursprünglichen Gedanken wieder auf. Die von Hofbaumeister Zanth hierzu gefertigten Pläne gefielen, aber Wilhelm I. schreckte vor den Kosten zurück: Zanth ging von 700.000 Gulden aus, der König wollte jedoch nur 300.000 investieren. Mit dieser Vorgabe forderte er Gegenentwürfe von Knapp und Ludwig Friedrich von Gaab (1800-1869). Auch Christian Friedrich Leins beteiligte sich an dem Wettbewerb – allerdings unaufgefordert. Daher blieben seine Zeichnungen unberücksichtigt, aber er hatte die Aufmerksamkeit des Königs auf sich gelenkt.

Am 22. Juni 1855 wurde die Ausführung des Königsbaus Johann Michael Knapp übertragen. 1856 zog der König schließlich Leins hinzu und wünschte, dass die Arbeiten von beiden Architekten geleitet werden. Leins schaltete sich sofort maßgeblich in das Geschehen ein: Ihm erschien die von Knapp vorgesehene Kolonnade zu monoton. Deshalb fügte er die kraftvollen Portiken hinzu. Er verlegte den Festsaal in die Obergeschosse, sodass das gesamte Erdgeschoss für Geschäfte zur Verfügung stand. Dadurch ließen sich nicht nur die merkantile von der kulturellen Sphäre trennen, sondern auch die zu erwartenden Mieteinnahmen beträchtlich steigern. Besonders dieses ökonomische Argument kam dem auf Sparsamkeit bedachten Auftraggeber sehr entgegen.

1857 trat Knapp zermürbt – und wohl auch aus gesundheitlichen Gründen – als „Co-Architekt“ zurück. Leins führte den Bau nach seinen Plänen bis zur glanzvollen Einweihung im September 1860 zu Ende. Schon zwei Jahre zuvor hatte Wilhelm I. gestattet, dem Projekt den Namen Königsbau zu verleihen. Nach über vier Jahrzehnten einer wechselvollen Planungsgeschichte war es dem König (fast) am Ende seiner langen Regierungszeit gelungen, den Schlossplatz um ein imposantes Bauwerk zu bereichern.

Johann Michael Knapp und Christian Friedrich Leins ließen sich bei der Architektur von verschiedenen Quellen inspirieren. Formal stand für die Kolonnadenfront die antike „Stoa“ Pate; eine Halle, die an der Vorderseite, zuweilen auch seitlich nur durch Stützenstellungen geschlossen war. Knapp und Leins steigerten dieses Motiv allerdings ins Kolossale. Als konkretes Vorbild für das gesamte Äußere wird die 1841 bis 1854 erbaute Liverpooler St. George´s Hall herangezogen.

Das von König Wilhelm I. intendierte Konzept, Kultur und Kommerz zu verknüpfen, ging auf. Im Erdgeschoss und dem darüber gelegenen Halbgeschoss herrschte das Geschäftliche vor. Zur Königstraße waren die „Boutiquen“ über den Kolonnaden-Wandelgang zugänglich. Parallel hierzu erstreckte sich rückwärtig eine Passage. Sie war von Geschäften gesäumt und durch ein Glasdach geschützt. Im Grunde wurde diese Situation bis heute beibehalten.

Vorbildlich hierfür waren Passagen, die als neuartiger Bautypus für Geschäftslokalitäten in den europäischen Metropolen wie Paris und London im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden sie immer aufwändiger gestaltet und entwickelten sich zu luxuriösen Flaniermeilen – so auch der Stuttgarter Königsbau.

Der festliche Saal war von den Stirnseiten des Königsbaus aus zugänglich. Man erreichte ihn über repräsentative Treppenhäuser, deren südwestliches dem allgemeinen Publikum zugeordnet, das nordöstliche jedoch dem königlichen Hof vorbehalten war. Für den König standen separierte Salons und Logen zur Verfügung, den übrigen Besuchern drei Säle und zwei Vestibüle. Der Festsaal selbst folgte im Querschnitt und Grundriss dem Schema einer Emporenbasilika mit Chor und Apsis. Das Mittelschiff und die Seitenschiffe fassten das Publikum, Chor und Apsis die Bühne.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts verlor der Saal an Attraktivität, da durch andere Bauten, beispielsweise die Liederhalle, eine Konkurrenzsituation entstanden war. Daher folgten nach und nach Veränderungen, sodass das ursprüngliche Raumbild bereits vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren war.

1944/45 brannte der Königsbau völlig aus und der nordöstliche Teil der Kolonnade stürzte ein. Der Wiederaufbau erfolgte 1958/59. Hierbei stellte man das Äußere weitgehend wieder her, führte den „Kernbau“ aber völlig neu auf. Die Gestaltung der Zugangssituation an den Schmalseiten wurde wesentlich vereinfacht. Auf dekorative Elemente wurde verzichtet. Die einst aufgelockerte Silhouette wich einer strengen Abschlusslineatur.

Die bedeutende Rolle, die der Königsbau einst im kulturellen Leben Stuttgarts gespielt hat, ist bereits seit vielen Jahrzehnten nicht mehr wahrnehmbar. 1991 bis 2002 befand sich in den oberen Stockwerken die Börse. Der 2004 bis 2006 erfolgte rückwärtige Anbau der „Königsbau-Passagen“ erweist sich für das äußere Erscheinungsbild als äußerst nachteilig, da dieser weit über die Kolonnaden hinausragt und die ursprüngliche Proportionalität des Architekturbildes verändert. Die Nutzung für Ladengeschäfte folgt jedoch bis heute der ursprünglichen Intention.

Text: Michael Wenger
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Jutta Beder-Neuhaus, Studien zur öffentlichen und privaten Baukunst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Stuttgart, Diss. Bonn 1976.
Gotthard Reinhold, Johann Michael Knapp. Eine Studie über Leben, Werk und Nachlaß des Stuttgarter Hofbaumeisters (Backnanger Forschungen, Bd. 1), Backnang 1994.
Giovanni Salucci 1769-1845. Hofbaumeister König Wilhelm I. von Württemberg 1817-1839. Stuttgart 1995.
Richard Schmidt, Der Schloßplatz in Stuttgart. Eine baugeschichtliche Skizze, Rückblick und Ausblick, in: Neue Beiträge zur Archäologie und Kunstgeschichte Schwabens. Julius Baum zum 70. Geburtstag am 9. April 1952 gewidmet, Stuttgart 1952, S. 225-232.
Eva-Maria Seng, Der evangelische Kirchenbau im 19. Jahrhundert. Die Eisenacher Bewegung und der Architekt Christian Friedrich Leins (Tübinger Studien zur Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 15), Tübingen 1995.
Christine Wawra, Zwischen Repräsentation und Resignation. Um- und Neubaupläne des württembergischen Hoftheaters in Stuttgart 1750-1912, Stuttgart 1994.
Michael Wenger, Ein „Odéon“ mit Ladenpassage. 150 Jahre Königsbau – ein stadtbildprägendes Gebäude, in: Schlösser Baden-Württemberg 1, 2007, S. 21-25.
Michael Wenger, Endlich Hofbaumeister – Aber warum „alles Dieses erst jetzt?!!“ Bauen für Hof und Staat, in: Karl Ludwig von Zanth. Der Erbauer der Wilhelma in seiner Zeit, hg. von Annemarie Röder/Michael Wenger, Stuttgart 2012, S. 92-112.

Publiziert am: 24.08.2020
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wenger, Königsbau, publiziert am 24.08.2020 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/9a73fa05-4219-4a40-a1db-e02628a0b356/Koenigsbau.html