Der umfassend gebildete Architekt Carl Etzel wurde als Planer von Eisenbahnstrecken in Württemberg, der Schweiz und Österreich zu einem Pionier des Eisenbahnbaus im 19. Jahrhundert. Vor allem sein versierter Umgang mit schwieriger Topografie sicherte ihm internationale Anerkennung.

Carl Etzel wurde als Sohn von Gottlob Christian Eberhard von Etzel (1784-1841), meist als Eberhard von Etzel genannt, und Friederike Dorothea Beate Etzel, geb. Kempf (1788-1848), am 6. Januar 1812 in Stuttgart geboren. Da Eberhard von Etzel zum Zeitpunkt der Geburt seines Sohnes als Architekt in Heilbronn tätig war, hielt sich lange das Gerücht, Carl sei in Heilbronn geboren, was sich aber über den Eintrag im Taufregister der Stuttgarter Hospitalkirche eindeutig widerlegen lässt.

Carl Etzel besuchte zunächst das Königliche Gymnasium in Stuttgart und wechselte dann 1826 in das Evangelische Seminar in Blaubeuren. Es war wohl der Wunsch des Vaters, dass Carl eine theologische Laufbahn einschlagen sollte, um den Schwierigkeiten zu entgehen, die er 1810 nach der Entlassung aus dem Staatsdienst durch König Friedrich erlebt hatte. Etzel selbst berichtet, dass er die Zulassung zum Universitätsstudium der Theologie in Tübingen erhalten hatte, aber seiner inneren Stimme folgte und sich dem Baufach widmete. Zunächst arbeitete er im Büro seines Vaters mit, ab 1831 studierte er Architektur an der Stuttgarter Kunst-, Gewerbe- und Realschule (in den Jahren 1829 bis 1832 in dieser Konstellation vereinigt), dem späteren Polytechnikum. Hier vertiefte er an der Kunstschule seine Fähigkeiten im Zeichnen von Antiken und lebendigen Modellen. Sein berühmtester Lehrer war Nikolaus Friedrich von Thouret (1767-1845), der ebenfalls in den beiden Disziplinen Architektur und Malerei tätig war. Am 6. Februar 1836 legte Carl Etzel seine Staatsprüfung im Hochbauwesen ab. Nach eigenen Aussagen betrachtete er seine Ausbildung damit aber noch nicht als beendet, vielmehr strebte er im Anschluss Reisen und eine weitergehende Bildung an. Tatsächlich ging Etzel für zwei Jahre nach Paris, wo er im Büro von Emile Clapeyron (1799-1864) an der Planung der Eisenbahnstrecken Paris–St. Germain und Paris–Versailles beteiligt war und schon 1836 seine erste Holzbrücke bei Asnières baute.


Ende 1838 kehrte Etzel kurz nach Stuttgart zurück und veröffentlichte die Schrift „Über die Nothwendigkeit und Ausführbarkeit einer Eisenbahn durch Württemberg“. In dieser Publikation sprach sich Carl Etzel wegen der schwierigen Topografie des Landes noch gegen den Bau einer Eisenbahn aus. 1839 folgte er seinem Freund Christian Friedrich Ludwig Förster (1797-1863) nach Wien, wo dieser seit 1836 die „Allgemeine Bauzeitung“ herausgab und gerade ein Architekturbüro eröffnet hatte. Etzel nutzte diese Zeitschrift ab 1837 für regelmäßige Veröffentlichungen seiner Planungen und Bauten. Auf diese Weise erreichte er mit vergleichsweise wenigen realisierten Bauten sehr schnell einen großen Bekanntheitsgrad.

Nachdem auf Anregung von König Wilhelm I. seit 1830 verschiedene Gutachten und Planungen zum Eisenbahnbau in Württemberg erstellt worden waren, wurde am 18. April 1843 das „Gesetz, betreffend den Bau von Eisenbahnen“ verabschiedet und im Juni desselben Jahres die Eisenbahnkommission gegründet. Schon am 12. August 1843 trat Carl Etzel als Oberingenieur und Oberbaurat für die Leitung des Baues der Eisenbahnen seinen Dienst in Stuttgart an. Seit 1836 gab es Untersuchungen zur Streckenführung in Württemberg, die immer wieder überarbeitet und begutachtet wurden. Gleichzeitig mit Etzels Arbeitsbeginn war der englische Eisenbahningenieur Charles Blacker Vignoles (1793-1875) hinzugezogen worden. Dessen Anfang 1844 vorgestellter Bericht entsprach nicht den Erwartungen der Regierung, und so bekam Etzel gemeinsam mit Michael Knoll (1805-1852) die Chance zu einer erneuten Überarbeitung. Diese am 13. März 1844 genehmigte Planung setzte den Stuttgarter Bahnhof als Ausgangspunkt der Württembergischen Eisenbahnen mitten ins Stadtzentrum an der heutigen Bolzstraße, in die direkte Nähe zum Schloss. Etzel setzte aus städtebaulichen Gründen außerdem auf eine aufwendige Tunnellösung, obwohl er sich sonst mit der Streckenführung meist am Gelände orientierte. Diese neue Bauaufgabe stieß bei den Genehmigungsbehörden auf erhebliche Bedenken. Das Vertrauen des Königs in die Planung drückte sich mit der Zustimmung zur Führung des Rosensteintunnels direkt unter dem 1829 erbauten Schloss Rosenstein aus. So entstanden die Anfänge des Württembergischen Eisenbahnnetzes, das am 22. Oktober 1845 mit der Strecke Cannstatt–Untertürkheim eröffnet wurde. Am 26. September 1846 fuhr der erste Zug von Cannstatt nach Stuttgart und zwei Wochen später, am 15. Oktober 1846 wurde die Strecke Ludwigsburg–Esslingen, in den Planungen als Zentralbahn bezeichnet, übergeben. Während die Eisenbahnbrücke nach Cannstatt 1915 abgerissen wurde, sind Teile des ersten Bahnhofs in der Bolzstraße sowie der Rosenstein- und der Pragtunnel noch heute erhalten.

Der bekannteste Teil der Württembergischen Eisenbahn wurde die Geislinger Steige. Etzel wagte die Streckenführung mit einer Steigung, die zur Planungszeit noch nicht bewältigt werden konnte. Sein Vertrauen in die technischen Entwicklungsmöglichkeiten war so groß, dass er zum Baubeginn 1847 die Entwicklung einer besonders leistungsfähigen Dampflokomotive durchsetzte. Zur Fertigstellung der Strecke 1850 war dann tatsächlich die sogenannte Alblokomotive betriebsbereit.

Parallel zu seiner Tätigkeit im Eisenbahnbau verfolgte Etzel auch seine publizistische Tätigkeit. Im November 1844 übernahm er zusammen mit Ludwig Klein (1813-1881) nach gut einem Jahr die Redaktion der ursprünglich in Braunschweig erschienen, dann in Stuttgart bei Metzler verlegten „Eisenbahn-Zeitung“. Gegenstand der Zeitung waren Berichte über die Innovationen im Hoch- und Tiefbau sowie im Eisenbahnbetrieb – und nicht zuletzt die Darstellung der Arbeiten Etzels. Außerdem war Etzel Mitglied in der 1843 von Friedrich Wilhelm Hackländer (1816-1877) gegründeten Künstlervereinigung „Die Glocke“. Bei den wöchentlichen Treffen im Café Marquardt wurden literarische, künstlerische und auch bautechnische Themen diskutiert und wichtige Kontakte geknüpft, unter anderem begünstigt durch die Mitgliedschaft von Kronprinz Karl.

Ebenfalls zu dieser Zeit plante Carl Etzel sein Mehrfamilienhaus in Cannstatt, Neckartalstraße 67. Das Grundstück erhielt er im Sommer 1845 von König Wilhelm I. als freies Eigentum, allerdings mit der Auflage, dass das Gebäude 1846 fertiggestellt sein musste. Für die Bewohnbarkeit blieb ein Jahr länger Zeit. Hintergrund war der königliche Wunsch nach einer städtebaulichen Neuordnung entlang der damaligen Stuttgarter Straße in unmittelbarer Nähe des Wilhelmatheaters. Man kann davon ausgehen, dass die Bezugsfertigkeit des Hauses mit der Hochzeit Etzels zusammenfiel. Am 3. April 1847 heiratete er Marie Pauline von Gärttner (1828-1871), die Tochter Karl von Gärttners (1788-1861), Finanzminister und zuständig für den Eisenbahnbau. Kurz zuvor hatte Etzel versucht, Klarheit über seine Weiterbeschäftigung bei der Württembergischen Eisenbahnkommission zu erlangen. Er erhielt eine entsprechende Zusage, aber mit dem Hinweis auf ein Jahresgehalt, das weniger als die Hälfte seines bisherigen betrug. In der Folge ließ sich Etzel immer wieder beurlauben, um Aufträge im Ausland auszuführen, beispielsweise das Gutachten zur Strecke Basel–Bern–Luzern.

Ab Januar 1851 war Etzel wieder für eine längere Zeit in Stuttgart, um die Ausführung der Westbahn von Bietigheim über Maulbronn nach Bruchsal zu leiten. Besonders eindrucksvoll ist hier der Enzviadukt, den Etzel so optimiert plante, dass dessen Tragfähigkeit seinerzeit infrage gestellt wurde. Mit dessen Einweihung am 20. September 1853 war die erste Bauperiode der Württembergischen Staatseisenbahn abgeschlossen. Im selben Jahr erhielt Etzel für seine Verdienste das Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone und damit den persönlichen Adelsstand. Dennoch ließ er sich schon im Januar 1853 erneut in Württemberg beurlauben, um als oberster Bauleiter für die Schweizerische Centralbahn und die St. Gallisch-Appenzellische Eisenbahngesellschaft tätig zu werden.

Im März 1857 wechselte er als Baudirektor zur k. k. privilegierten Kaiser Franz-Joseph-Orientbahngesellschaft, der späteren Südbahngesellschaft nach Wien. Für diese Anstellung verzichtete er in Württemberg auf weitere Gehalts- und Pensionsansprüche und schaffte sich die Freiheit für sein bekanntestes Werk, die Brennerbahn.

Trotz der internationalen Erfolge als Experte für Gebirgsstrecken und langer Aufenthalte im Ausland plante Etzel seine Rückkehr nach Stuttgart. Ab 1861 entwarf er seine Villa in der Jägerstraße 30 im Stil der italienischen Renaissance. Die originalen Unterlagen sind verloren, so dass nur aus einem späteren Baugesuch Rückschlüsse auf die ursprüngliche Planung gezogen werden können. Nach dem Grundstückskauf 1862/63 folgte wohl zügig der Baubeginn, so dass die Villa 1865 fertiggestellt war. Das weitläufige und steile Grundstück erstreckte sich von der Jäger- bis hinauf zur Birkenwaldstraße. Die Villa stand als vergleichsweise schlichter Bau am unteren Ende, während ein Belvedere den höchsten Bereich markierte. Dazwischen befanden sich Weinberge und Gemüsegärten. Die Familie verkaufte das Gebäude 1938 an die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Planungen für einen Neubau aus demselben Jahr wurden nicht umgesetzt. Bei den Luftangriffen 1944 entstanden gravierende Schäden, die zum Abbruch führten. Der Neubau von Rolf Gutbrod für die IHK aus dem Jahr 1950 ist inzwischen abgerissen und ersetzt, erhalten sind dagegen das weithin sichtbare Belvedere und die Weinberge.

Carl Etzel verstarb am 2. Mai 1865 auf der Reise von Wien nach Bad Wildbad in Kemmelbach bei Ybbs an einem zweiten Schlaganfall, ohne in seinem Altersruhesitz gelebt zu haben. Er wurde am 5. Mai 1865 auf dem Hoppenlaufriedhof beigesetzt. Nach dessen Schließung 1880 wurde Etzel auf den Pragfriedhof umgebettet. Der Sockel des Grabsteins besteht aus rotem Porphyr vom Brenner, den die Südbahngesellschaft in Anerkennung der Verdienste nach Stuttgart geschickt hatte, und trägt die Inschrift „Sein letztes Werk, die Brennerbahn, gab das Gestein zu seinem Grab.“

Es gibt verschiedene Nekrologe für Carl Etzel, die aber nach heutigem Forschungstand durchaus Fehler enthalten. Dennoch sei aus der „Zeitschrift für praktische Baukunst“, 1865, der Bericht zu Etzels unerwartetem Tod zitiert: „Wie ein unvermutheter Blitzstrahl traf schon vor einiger Zeit ein Schlag zerstörend in das Mark seines Lebens und lähmte die energische Thatkraft des Mannes, dem kein Berg zu hoch, kein Thal zu tief, kein Fluß zu breit über die er nicht der dahinbrausenden Lokomotive sichere Pfade bauen zu können glaubte. Von dem ersten Schlaganfall erholte er sich zwar wieder ziemlich, der letzte strenge Winter ging leidlich an ihm vorüber und mit den Aerzten hoffte er von einem Kurgebrauch in dem heimathlichen Wildbad das Beste. In dieser Hoffnung fuhr er von Wien der heilbringenden Sommersaison in hellem Maiensonnenschein entgegen: es war ihm nicht mehr vergönnt, die Heimat zu erreichen; die Nacht des Todes überraschte ihn mitten auf der Heimreise. […] Schwaben zählt ihn zu seinen größten Söhnen, die Mitwelt zu den ersten Eisenbahningenieuren, die Deutschland, ja Europa hervorgebracht hat.“

Text: Inken Gaukel
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

Stadtarchiv Stuttgart 116/1 Baurechtsamt 993.

Stadtarchiv Stuttgart 116/3 Baurechtsamt 2127.

Literaturhinweise:

Allgemeine Bauzeitung, Wien, ab 1. Jahrgang 1836. Eisenbahn-Zeitung, Stuttgart, ab 1. Jahrgang 1843. Inken Gaukel/Roland Müller in Verbindung mit Hartwig Beiche (Hg.), Carl von Etzel und die Anfänge der Eisenbahn in Württemberg. Dokumentation der Ausstellung des Stadtarchivs Stuttgart zum 200. Geburtstag des Eisenbahnpioniers, Stuttgart 2013.

GND-Identifier: 104147512
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Inken Gaukel, Carl von Etzel (1812-1865), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/ad970c2b-8039-486f-b73f-d9ded372b876/Carl_von_Etzel_%281812-1865%29.html