Der international angesehene Botaniker und Gartengestalter wurde 1915 als Hofgarteninspektor nach Stuttgart berufen. 1920 aus dem Amt gedrängt, reüssierte Berger in Amerika. Ungeachtet der günstigen Umstände dort folgte er 1926 dem Ruf des Kultministeriums, die botanischen Bestände der Württembergischen Naturaliensammlung als Hauptkonservator zu betreuen.

Alwin Berger wurde 1871 in Möschlitz bei Schleiz in Thüringen in eine wenig begüterte Bauernfamilie geboren. 15-jährig erwarb er am Schleizer Gymnasium die mittlere Reife. Den folgenden Aufenthalt am Reutlinger Pomologischen Institut brach er nach wenigen Monaten wegen Geldmangels und geringer Motivation ab. Obst interessierte ihn weniger als Blumen, also durchlief er eine Gärtnerlehre in Ebersdorf bei der Fürstlichen Hofgärtnerei Reuss. Bis 1897 folgten Gehilfenjahre an Botanischen Gärten in Dresden, Freiburg im Breisgau, Karlsruhe, Greifswald und Frankfurt. Dort erreichte ihn die Aufforderung, sich beim englischen Kaufmann und Gartenfreund Thomas Hanbury zu bewerben. Die Bewerbung war erfolgreich, Berger wurde Kurator an Hanburys privatem Botanischen Garten La Mortola bei Ventimiglia in Norditalien. Dort erwarb Berger sich binnen weniger Jahre einen Ruf in der Fachwelt.

Im Gegensatz dazu wurde, als er 1920 in Stuttgart aus dem Amt gedrängt wurde, unter anderem seine fehlende akademische Qualifikation ins Feld geführt. Fünf Jahre zuvor hatte sein Renommee als Gartenkünstler, Botaniker und Autor wissenschaftlicher Werke noch den Ausschlag für seine Berufung gegeben. Zum anerkannten Botaniker hatte er es durch jahrelanges Selbststudium gebracht. Außerdem hatte sein Dienstherr und Förderer Hanbury ihm Studienreisen und einen Studienaufenthalt an den „Royal Botanic Gardens“ in Kew finanziert.

Italien musste Berger mit seiner Familie überstürzt verlassen, als das Land 1915 auf Seiten der Westalliierten in den Ersten Weltkrieg eintrat. Kaum in Deutschland eingetroffen, erhielt er mehrere Angebote und entschied sich für Stuttgart. Der Hohenheimer Professor Oskar von Kirchner hatte ihn Oberhofmarschall Alfred Schenk von Stauffenberg nachdrücklich empfohlen. Schon im April 1915 wurde Berger von König Wilhelm II. zum Oberhofgarteninspektor bestellt. Sein Aufgabenbereich umfasste die königlichen Anlagen in Friedrichshafen, Bebenhausen, Kirchheim unter Teck, Hohenheim, Ludwigsburg und Stuttgart, dazu den königlichen Privatgarten Wilhelma in Cannstatt, dem seine besondere Aufmerksamkeit galt. Über Bergers Tätigkeit in den folgenden Jahren ist wenig bekannt, weil die Akten des Finanzministeriums, dem das Hofgartenamt 1918 unterstellt wurde, während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden.

Von Bergers Bemühungen, das Publikum für die Wilhelma zu gewinnen, zeugen einige Beiträge, teils aus seiner Feder, teils von ihm inspiriert, im Stuttgarter Tagblatt. Wenn die Wilhelma dort als gleichbedeutend neben Landesbibliothek, Technischer Hochschule und staatlichen Museen aufgezählt wird, so war das ganz in Bergers Sinn, dem nicht weniger als ein Botanischer Garten Wilhelma in Verbindung mit einem Arboretum Rosensteinpark als Ziel vor Augen schwebte.

Seine Frau und zuverlässige Chronistin Elise Berger, die er 1902 in Italien kennengelernt hatte, erwähnt in ihren Erinnerungen – die wichtigste Quelle zu Alwin Bergers Leben und Werk – als erstes Ziel die Anlage eines Kakteenhauses, das ihr Mann in Angriff genommen habe. Dank seiner Beziehungen zu Züchtern und zu Kollegen in botanischen Gärten des In- und Auslands habe er außerdem den bescheidenen Pflanzenbestand der Wilhelma trotz kriegsbedingter Einschränkungen bereichert und das Interesse des Königs gewonnen. Anlässlich seines Regierungsjubiläums 1916 ernannte dieser Berger zum Hofgartendirektor und verlieh ihm das Wilhelmskreuz.

Nach der Revolution von 1918 wurde die Wilhelma dem Finanzamt unterstellt. In der Presse wurde diese Entscheidung unter Hinweis auf die beim Kultministerium vorhandene Sachkompetenz scharf kritisiert. Für Berger wurde sie verhängnisvoll. Oberfinanzrat Oskar Gerhardt begann eine Intrige, indem er im März 1919 Berger Teile seiner vertraglich zugesicherten Dienstwohnung abzunehmen versuchte. Die fehlenden staatlichen Examina nutzte er zu einem weiteren Angriff. Diesem trat der zuständige Hofrat Hermann Alfred Sachs entgegen, und in der Wohnungsfrage entschied das Kameralamt pro Berger. Erfolgreicher war Gerhardts zweiter Schachzug, mit dem er per Anschlag an den Diensttafeln im Juni 1920 die Auflösung des Hofgartenamts bekanntgab, zwei Hofgärtner zu Betriebsleitern ernannte und Berger die botanische Seite des Betriebs überließ. Diese Kaltstellung bei unveränderten Bezügen geißelte das Tagblatt als unwirtschaftlich und warnte, die Koryphäe Berger könne Stuttgart verloren gehen. Weder diese Fürsprache noch ein Gutachten des Kultministeriums zugunsten von Bergers Wilhelma-Plänen hatten Erfolg. Der Kaltgestellte musste sich beruflich neu ausrichten. Der Empfehlung eines amerikanischen Kollegen von der angesehenen Smithsonian Institution verdankte er das Angebot, für die Landwirtschaftliche Versuchsstation in Geneva (New York) an einer Monografie über „small fruits“ mitzuarbeiten. Man suche einen „well trained botanist“, der ohne weiteres die Botanik von Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren und Erdbeeren aufarbeiten könne. Der konservative und politisch deutsch-national orientierte Sukkulentenspezialist zögerte. Die Materie war ihm fremd und alles Amerikanische sah er skeptisch. Vor allem aber hat er in Stuttgart Wurzeln geschlagen. Familie Berger verkehrte mit Oberhofmarschall Stauffenberg, pflegte Freundschaft mit dem Ehepaar Paul Daimler, ging bei der Apothekerfamilie Obermiller ein und aus, einem Treffpunkt für Künstler und Literaten. Berger war Mitglied im Cannstatter Apostelkranz, der den wissenschaftlichen Gedankenaustausch und Geselligkeit pflegte. Auch Freunde aus alten Zeiten stellten sich ein, unter anderem der prominente Kollege Camillo Schneider, der Familie Berger in der Wilhelma fotografierte.

Aus Deutschland erreichte Berger jedoch kein Angebot. Dennoch musste seine Frau ihn überreden, die unverhoffte Amerika-Chance zu ergreifen. Lange bevor die ihm in Geneva anvertraute wissenschaftliche Aufgabe gelöst war, zeigten sich seine Vorgesetzten bestrebt, ihn dort zu halten. Sein Gehalt wurde erhöht und er fand Unterstützung, als er im Inflationsjahr 1923 seine Familie nachholte. Der freundschaftlich Umworbene freute sich über die Zuwendung und Anerkennung, blieb Amerika gegenüber dennoch ambivalent. Daran änderte selbst die Aussicht auf eine höher dotierte Position in Washington D.C. nichts, vielmehr griff Berger ohne Zögern zu, als ihm das Württembergische Kultministerium 1926 anbot, die botanischen Bestände der Naturaliensammlung als Hauptkonservator im Nebenamt gegen ein bescheidenes Salär zu verwalten. Noch von Amerika aus erwarb Berger ein Reihenhaus auf der Altenburg in Cannstatt und ging die folgenden Jahre seiner konservatorischen Tätigkeit nach. Er ordnete die vernachlässigten botanischen Bestände und entdeckte Raritäten wie eine Schenkung des Australienforschers Ferdinand von Müller. Ein geringer Teil der von ihm angelegten Herbarblätter blieb erhalten, der größere Teil wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Eine Reise führte Berger an seine alte Wirkungsstätte La Mortola zurück, eine zweite nach Spanien. Dort beriet und half er, den Botanischen Garten Blanes an der Costa Brava zu gründen. Dienstlich nahm Berger an Exkursionen teil, dabei verausgabte er sich im Tessin so sehr, dass er wenig später am Arbeitsplatz zusammenbrach und im April 1931 einer Blinddarmentzündung erlag.

Dass Berger in Stuttgart so gut wie vergessen wurde, ist nicht allein durch Kriegsverluste bedingt. Auch sein Widersacher Gerhardt hat dazu beigetragen. Seine Aufzählung der Wilhelma-Leiter in „Stuttgarts Kleinod“ nennt Berger beispielsweise nicht. Diesem Beispiel ist die gesamte Wilhelma-Literatur gefolgt. Unklar ist Gerhardts Motivation. Denkbar ist, dass der fanatische Antisemit Berger schaden wollte, weil dieser mit einer Jüdin verheiratet war.

Vor dem völligen Vergessen hat sich Berger selbst durch seine Autorentätigkeit bewahrt. 1896 setzte die Liste seiner Publikationen mit einem Beitrag über Droseraceen ein und wuchs bis 1923 auf über 350 Monografien, Zeitschriftenaufsätze und Beiträge in Büchern von Fachkollegen an, darunter auch 700 Pflanzenerstbeschreibungen. Darüber hinaus wurden die Pflanzengattungen Bergeranthus Schwantes aus der Familie der Mittagsgewächse und Bergerocactus Britton & Rose aus der Familie der Kakteengewächse ihm zu Ehren benannt. Sein Autorenkürzel A. Berger klingt zudem in zahlreichen Pflanzennamen fort, 41 davon zählt die Wilhelma zu ihrem Bestand.

Text: Rainer Redies
Schlagworte: Stuttgart-Bad Cannstatt, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

Elise Berger, Mein Leben mit Alwin Berger. La Mortola – Stuttgart – Geneva, Stuttgart 2020.

Literaturhinweise:

Rainer Redies, Aus der Wihelma verdrängt. Hofgartendirektor Alwin Berger (1871 bis 1931), in: Schwäbische Heimat 2018/4, S. 421-427.

GND-Identifier: 116130474
Publiziert am: 26.08.2021
Empfohlene Zitierweise:
Rainer Redies, Alwin Berger (1871-1931), publiziert am 26.08.2021 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/b41b846e-30e4-44b0-ad46-dfd4c4d73de1/Alwin_Berger_%281871-1931%29.html