Nikolaus von Thouret gehört zu den wichtigen Architekten und Stadtplanern Stuttgarts um 1800. Mit seinen Planungen für den Schlossgarten (Anlagen), den Schlossplatz, die Königsstraße und die Friedrichsvorstadt leitete er die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts zur modernen Großstadt ein.

Nikolaus Friedrich von Thouret wurde am 2. Juni 1767 in Ludwigsburg als ältester Sohn des herzoglichen Kammerdieners Charles Thouret und dessen Frau Eva Christina Grotz geboren. Mit elf Jahren bestand er die Aufnahmeprüfung an der Karlsschule in Stuttgart und wurde für die „Mahlerey“ bestimmt. Während seiner Lehrjahre bis 1788 scheint die Malerei im Vordergrund der Ausbildung gestanden zu haben, denn er wurde zunächst zu Malerarbeiten im Schloss Hohenheim eingesetzt. Im Sommer 1788 erhielt er das begehrte Reisestipendium des Herzogs und ging nach Paris, dem seinerzeit ausgewiesenen Zentrum für moderne Malerei und Architektur. Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, in welchem Bereich sich Thouret in Paris weitergebildet hat. Im Frühjahr 1790 kehrte er nach Stuttgart zurück und arbeitete unter Leitung von Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer an den Schlossbauten in Stuttgart und Hohenheim. Bald erhielt er jedoch Gelegenheit, seine Studienreise fortzusetzen und begab sich 1791 nach Rom. Dort widmete er sich weiterhin der Malerei, näherte sich jedoch auch der Architektur an und verkehrte im Kreis um den Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner. 1797 traf er wieder in Stuttgart ein und entwarf die Ausstattung des Hohenheimer Schlosses.

Ein entscheidendes Datum für Thourets weitere Karriere war ein Besuch Goethes in Hohenheim im September 1797. Goethe war für das Bauwesen in Weimar, speziell für den Neubau des Schlosses, schon seit längerer Zeit auf der Suche nach Architekten, „die erst ganz frisch Rom und Paris gesehen und sich daselbst Reichtum der Mittel und einen Geschmack der Zusammensetzung erworben haben.“ Er begeisterte sich für die Arbeiten Thourets und lud ihn nach Weimar ein, wohin Thouret im Mai 1798 reiste und bis Oktober blieb. Hier beschäftigte er sich aber nicht in erster Linie mit dem Schlossbau, sondern mit dem spontan beschlossenen Umbau des Residenztheaters. Erst Anfang Dezember 1799 kam Thouret zum zweiten Mal nach Weimar und blieb diesmal bis zum 17. Februar 1800. Vor die Entscheidung gestellt, entweder in Weimar eine feste Anstellung zu erlangen oder in Stuttgart zu bleiben, wo er im Sommer 1800 mit Aufgaben in Ludwigsburg betraut worden war, entschied sich Thouret, obwohl ihm Heinrich Dannecker dringend zur Annahme des Rufes riet, für seine Vaterstadt und brach jeden Kontakt nach Weimar ab.

Im April 1799 war Thouret in Stuttgart zum Hofmaler und am 26. September zum Hofarchitekten bestellt worden. Er besorgte mehrere Bauaufgaben in Hohenheim und Ludwigsburg, wo er das Hoftheater renovierte und die herzoglichen Wohnungen im neuen Corps der Logis umgestaltete. Auch nach der Erhebung Württembergs zum Königreich 1806 blieben größere Bauaufträge für Thouret in Stuttgart aus. Stattdessen führte er klassizistische Innenausbauten für die Schlösser Monrepos und Favorite in Ludwigsburg, das Neue Schloss in Stuttgart und für Schloss Solitude aus. Seine Kenntnisse der italienischen und französischen Architektur stellte er 1806 bei Entwürfen zu Triumphbögen zu Ehren des Einzugs Napoleons in die Stadt unter Beweis. Zudem erhielt er Privataufträge für Wohnhäuser in Stuttgart. 1807 errichtete er in der Königstraße sein erstes eigenes Wohnhaus in dem für ihn typischen sehr reduzierten klassizistischen Stil.

Große Bedeutung für die Entwicklung der Stadt Stuttgart als königliche Residenzstadt auf dem Weg in die Moderne hatten Thourets Planungen für die Königstraße und den Schlossgarten, für den er in den Jahren 1805/06 eine hybride Gestaltung mit Achsen, Rondellen und frei geschwungenen Wegen vorlegte. Zugleich bereitete er die Anlage der Friedrichsvorstadt mit dem kreisförmigen Friedrichsplatz vor, an dem sich bald herrschaftliche Wohnhäusern ansiedelten. Auch Thouret baute sich hier 1818 und 1828 jeweils neue Häuser. 1818 brachte Thouret einen Generalbauplan für die Residenzstadt Stuttgart heraus, der die Königstraße und die Neckarstraße als Prachtstraßen mit öffentlichen Gebäuden vorsah. Der Beginn des Ausbaus der Residenzstadt zur modernen Großstadt liegt in diesen Überlegungen Thourets, die auch die Friedrichsvorstadt und den Bau des Katharinenhospitals (1818) außerhalb der damaligen Stadtgrenzen vorsahen.

Bis zu den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg standen in Stuttgart noch die von Thouret geplante Kathedrale (1808-1811), das Königstor und der Große Bazar an der Königstraße (1835) sowie einige Privathäuser. Weitere Bauten haben sich zum Teil erneuert und verändert außerhalb Stuttgarts erhalten. Auf dem Alten Friedhof in Ludwigsburg befindet sich das Zeppelinmausoleum (1804), das als Zentralbau mit dorischem Portikus erbaut ist. Der klassizistische Kursaal in Bad Cannstatt (1825-1829), der sich in seiner Grundform weitgehend erhalten hat, besticht durch den halbrunden Vorbau mit dorischen Säulen und nachgeschaltetem Thermenfenster. In Wildbad, wo Thouret selbst häufig zur Kur weilte, plante er das Badhotel (1837) und das Graf-Eberhard-Bad (1838).

Innerhalb des Hofbauwesens konnte Thouret nie eine obere Position erreichen. Ein schwerer Schlag muss für ihn die 1809 erfolgte Anstellung des Dresdner Architekten Johann Gottfried Klinsky (1765-1828) zum Oberhofbaumeister gewesen sein, da Klinsky völlig unerfahren war. Ebenso schwer wird ihn die 1816 erfolgte Berufung von Giovanni Salucci (1769-1845) zum ersten Architekten König Friedrichs getroffen haben. In manchen Wettbewerben, in die er große Hoffnungen setzte, wurden seine Entwürfe nicht weiterverfolgt: So beim Prinzessinnenpalais (1829), beim Theater (1833) und beim Kunstsammlungsgebäude (1833, 1836, 1837), für das er einen Standort am Schlossplatz vorschlug. Besondere Energie brachte Thouret für den Theaterbau auf: So plante er 1809 ein Theater auf dem Eglofsheimer Seegut (Monrepos), 1811 beschäftigte er sich mit dem Umbau des Lusthaustheaters am Schlossplatz, 1817 legte er Pläne für ein Residenztheater vor und 1833 beteiligte er sich am Wettbewerb für ein großes Theater gegenüber dem Neuen Schloss, das jedoch ebenso wie die anderen Projekte nie realisiert wurde.

Mit der 1817 erfolgten Entlassung als Hofbaumeister und der Ernennung zum Professor „bey der neu zu errichtenden Kunst-Schule“ besetzte Thouret eine Position, die ihm einen gewissem Einfluss auf das Bauwesen in Stuttgart sicherte, wenn auch die Schule erst 1829 eröffnet wurde. Auch ermöglichte ihm diese Stellung, gleichsam als freier Architekt zu arbeiten. Stilistisch entwickelte sich Thouret wie viele seiner Zeitgenossen von einem sehr harten, trockenen und reduzierten Klassizismus zu einer gefälligeren Formensprache, wie sie beim Cannstatter Kursaal erstmals sichtbar wird. Beim Bazar öffnete er sich den zeitgenössischen Tendenzen zur Aufnahme von Motiven der italienischen, speziell florentinischen Renaissance, und beim Graf-Eberhard-Bad in Wildbad schließlich mischte er Formen der Romantik und Gotik innerhalb eines streng axialsymmetrisch konzipierten Bauwerks.

Während seinen Anstellungen in Stuttgart war Thouret den Eingriffen und Willkürentscheidungen seiner Vorgesetzten und insbesondere der Könige Friedrich und Wilhelm ausgesetzt. Seine architektonischen Fähigkeiten konnte er nur selten und meist nur in Wettbewerben zum Ausdruck bringen. Als Lehrer an der Kunstschule, die schließlich entgegen erster Vorstellungen nur eine Kunsterziehungsschule wurde, konnte er kaum wirksam werden. Thouret wendete sich häufig scharf gegen seine Vorgesetzten im staatlichen Bauwesen und beharrte auf seinen künstlerischen Vorstellungen, die er sich in Paris und Rom auf hohem Niveau angeeignet hatte.

Text: Klaus Jan Philipp
Schlagworte: Stuttgart-Bad Cannstatt, Stuttgart-West
Literaturhinweise:

Axel Burkarth, Nikolaus von Thouret (1767-1845). Forschungen zum Wirken eines württembergischen Hofarchitekten in der Zeit des Klassizismus, Diss. Stuttgart 1990.
Paul Faerber, Nikolaus Friedrich von Thouret. Ein Baumeister des Klassizismus, Stuttgart 1949.
Anna Marie Pfäfflin, Pantheon der Freundschaft. Das Grabmal für Johann Carl von Zeppelin in Ludwigsburg (Schriften der Winckelmann-Gesellschaft, 24), Stendal 2005.
Klaus Jan Philipp, Nicolaus Friedrich Thouret, in: Andreas Beyer/Ernst Osterkamp (Hg.), Goethe-Handbuch, Supplemente Bd. 3 Kunst, Stuttgart 2011, S. 585–587.

GND-Identifier: 118895923
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Jan Philipp, Nikolaus Friedrich von Thouret (1767-1845), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/c3e9b230-3c86-4f03-b9c6-5642380191aa/Nikolaus_Friedrich_von_Thouret.html