Anfang 1918 kam Margarete von Wrangell, eine junge Wissenschaftlerin aus deutsch-baltischem Adel, die sich schon ein beachtliches wissenschaftliches Renommee erworben hatte, in Hohenheim an. Nach der Schule in Reval hatte sie von 1904 bis 1909 in Tübingen – als eine der ersten dortigen Studentinnen – Botanik und Chemie studiert und in Chemie „summa cum laude“ promoviert.
Danach hatte sie zunächst in der landwirtschaftlichen Versuchsstation der kaiserlich-ökonomischen Societät in Dorpat als Assistentin, sodann bei Sir William Ramsey und Madame Marie Curie als wissenschaftliche Mitarbeiterin geforscht und schließlich fünf Jahre lang die Versuchsstation des Estländischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval geleitet. Da sie sich 1917 weigerte, die Versuchsstation unter die Kontrolle der russischen Revolutionäre zu stellen, wurde sie verhaftet. Nach ihrer Befreiung durch deutsche Truppen verließ sie das Baltikum.
Der Hohenheimer Direktor Hermann Warmbold, der sie aus Reval kannte, holte die nun arbeitslose Wissenschaftlerin nach Hohenheim und verschaffte ihr eine Stelle an der Landwirtschaftlich-Chemischen Versuchsstation. Dort betrieb Margarete von Wrangell Forschungen zur Phosphorsäurefrage: Seit Justus von Liebig konnten in der Landwirtschaft ungeahnte Produktionssteigerungen durch die mineralische Düngung erreicht werden. Deutschland war zwar hinsichtlich zweier Grundbestandteile des Mineraldüngers, Kali und Stickstoff, autark, aber die Herstellung von Phosphor-Düngemitteln war noch abhängig von Importen. In Hohenheim kam von Wrangell nun zu dem verblüffenden Ergebnis, dass die deutschen Böden bei weitem nicht so phosphorsäurebedürftig seien, wie bisher angenommen, und dass es möglich sei, das Phosphorsäurekapital der Böden zu mobilisieren.
Diese Ergebnisse erregten sehr großes Aufsehen. Im Jahr 1920 wurden ihre Forschungen und Publikationen schließlich honoriert und sie wurde vom Lehrerkonvent der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim habilitiert – die erste Hohenheimer Habilitation überhaupt – und ab Mai 1920 als Privatdozentin beschäftigt.
Die Schlüsselgestalt ihrer Karriere war jedoch Professor Dr. Hermann Warmbold. Als Hohenheimer Direktor hatte er Margarete von Wrangell nach dem Kriege an die Hochschule geholt. Als Ministerialdirektor im preußischen Landwirtschaftsministerium (seit 1919), als preußischer Landwirtschaftsminister (1921), als Vorstandsmitglied der IG Farben (seit 1922) und schließlich als Reichswirtschaftsminister (1931-1933) war er derjenige, der zwar im Hintergrund, aber mit großem Einfluss die Fäden zog und von Wrangell förderte.
Darauf ist es auch zurückzuführen, dass der Hohenheimer Professor für Anorganische Chemie und Agrikulturchemie Georg August Morgen dem Lehrerkonvent am 12. November 1921 zu eröffnen hatte, dass „der Reichsernährungsminister von der Düngemittel-Industrie 75 Millionen Mark zur Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiete der Pflanzenernährung erhalten [habe]. Es [bestehe] die Wahrscheinlichkeit, dass Fräulein Dr. von Wrangell aus diesem Fonds die Mittel zur Errichtung eines Instituts für Pflanzenernährung in Hohenheim erhalten könnte. [...] Aber die Errichtung des Instituts sei eben an die Person der Fräulein Dr. von Wrangell gebunden […] Es habe nun Fräulein Dr. von Wrangell [...] verlangt, dass sie vollständig selbständige Vorsteherin und Leiterin dieses Instituts [werde], [und …] dass ihr mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Instituts ein Extraordinariat für Pflanzenernährung übertragen [werde].“
Insgesamt nahm der Hohenheimer Lehrerkonvent diese Bedingungen relativ gelassen auf. Am Ende wurde mit sechs gegen drei Stimmen beschlossen, die Bedingungen Margarete von Wrangells zu akzeptieren.
Freilich war bislang nur von einem Extraordinariat, also einer planmäßigen Professorenstelle ohne Etat, Mitarbeiter und Leitungsfunktionen die Rede gewesen. Schon bald sollte sich aber eine ganz neue Situation ergeben. 1922 erhielt von Wrangell von Fritz Haber einen überaus ehrenvollen Ruf, als Mitglied in das Physikalisch-Chemische Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem einzutreten. Dies veränderte ihre Verhandlungsposition grundlegend. Schon bald musste sich der Hohenheimer Lehrerkonvent mit ihrer erweiterten Forderung nach einem ordentlichen Lehrstuhl statt eines Extraordinariats auseinandersetzen.
Nun regte sich Widerstand im Kollegium. Der Geologe Felix Plieninger etwa fragte am 22. April 1922 im Rahmen einer Senatssitzung, „ob eine Frau in der Lage sei, ein Institut mit größerem männlichen Personal zu leiten. Die Zwangslage, in der sich der Lehrerkonvent dadurch versetzt sehe, dass alles auf eine Persönlichkeit zugeschnitten sei, sei doch recht übel.“ Mit sechs Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen wurde beschlossen, Margarete von Wrangell einen ordentlichen Lehrstuhl zu übertragen.
Nach der Aktenlage scheint es fast so, als habe sie – unter Umgehung des Hohenheimer Lehrerkonvents und des Rektors, ja vielleicht sogar der württembergischen Regierung – in Berlin direkt über „ihr Pflanzenernährungsinstitut“ verhandelt, um schließlich die Hohenheimer vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Da sich ihre Ernennung aber verzögerte, legte sie 1922 einen genehmigten Forschungsaufenthalt bei Fritz Haber in Berlin ein. Schlimmer war für von Wrangell hingegen, dass in Hohenheim offenbar schon längere Zeit versucht wurde, die versprochenen Reichsmittel zu gewinnen, sie aber außen vor zu lassen. Jedenfalls wurde ihr, wie aus ihrer Personalakte hervorgeht, erklärt, dass ihre „Ernennung nicht wahrscheinlich sei und das Pflanzenernährungsinstitut vom Lande für andere Zwecke verwendet würde“. Daraufhin drohte von Wrangell ganz unverhohlen und, wie das württembergische Ministerium naserümpfend bemerkte, „in sehr freier Rede“ mit ihrem Einfluss in Berlin.
Das württembergische Ministerium reagierte schließlich: Zuerst aus der Presse, später durch Eingang erhielt man in Hohenheim von einem Erlass Kenntnis, wonach Margarete von Wrangell mit Wirkung vom 1. Januar 1923 zur ordentlichen Professorin ernannt worden sei. Ihrer Mutter schrieb sie daraufhin: „Ich habe viele Kämpfe in meinem Berufe. Ich bin der [sic] erste ordentliche weibliche Professor in Deutschland. Bin zudem durch einige wissenschaftliche Größen öffentlich anerkannt worden. Das hat mir die Feindschaft vieler eingetragen; aber mein Institut ist eine Schöpfung, die von dauerndem Wert und Nutzen bleiben wird. […] Jedenfalls weiß ich, wofür ich kämpfe.“
Tatsächlich waren die Kollegen in Hohenheim wenig begeistert von den Umständen der Ernennung von Wrangells. Wie eine offene Anfeindung wirkte es daher, dass der Agrikulturchemiker Paul Ehrenberg aus Breslau gerade zu diesem heiklen Zeitpunkt in der Zeitschrift für Pflanzenernährung und Düngung den Vorwurf erhob, sie habe in ihren Arbeiten ältere russische agrikulturchemische Forschungsergebnisse verwendet, ohne ausreichend darauf hingewiesen zu haben. Diese Anschuldigungen verliefen jedoch im Sande.
Eine Hauptaufgabe Margarete von Wrangells war es nun, trotz Inflation, Mittel, Material und Versuchsflächen für ihr Institut zu beschaffen – die Akten im Archiv der Universität Hohenheim zum Pflanzenernährungsinstitut dokumentieren dieses zähe Ringen um jeden Experimentiertisch, jedes Mikroskop, ja sogar um Pflanztöpfe sehr detailliert. Wissenschaftsmanagement wäre heute die zutreffende Bezeichnung für einen Hauptteil ihrer Tätigkeit nach 1923.
In den knapp zehn Jahren, in denen Margarete von Wrangell am Hohenheimer Pflanzenernährungsinstitut wirkte, wurden 42 wissenschaftliche Arbeiten und 15 Doktorarbeiten angefertigt, was auch als ein Beleg dafür gelten kann, wie ernsthaft und zielstrebig dort geforscht wurde, auch wenn von Wrangells Verhältnis zu ihren Mitarbeitern und insbesondere zu ihren Kollegen keineswegs spannungsfrei war.
In Institutskreisen kursierte der Satz „in einem Kreis von Männern ist Margarete von Wrangell oft der einzige Mann“. So verfügte sie mit einer Selbstverständlichkeit autokratisch und fast maßlos über ihre Mitarbeiter und deren Arbeitszeit. Arbeiten am Institut mussten nach dem Willen von Wrangells von den Mitarbeitern sofort, bis zur physischen Erschöpfung und vor allem ohne Rücksichtnahme auf die private Freizeitgestaltung oder die Familie erledigt werden – die Mitarbeiter hatten ihr jederzeit und bedingungslos zur Verfügung zu stehen. „Ihr Institut“ mitsamt allen Mitarbeitern war für sie letztlich nur ein Instrument, das einzig dem Zweck diente, sie selbst und ihre Forschung zu unterstützen. Diese junkerhaften Züge ihrer Institutsführung wurden unterstrichen von einer geradezu herrischen Art, ihre Forderungen und Wünsche durchzusetzen.
Mussten sich ihre Mitarbeiter diesem Stil – nolens volens – beugen, so mag ihre Art viel zu der Reserviertheit beigetragen haben, die ihr vonseiten der Kollegen in Hohenheim noch lange entgegenschlug. Ein solches Auftreten war man dort bis dahin nicht gewohnt, schon gar nicht von einer Frau. Für ihre Kollegen am schlimmsten war es jedoch, dass es ihr auf diese Weise auch noch häufig gelang, ihre Wünsche durchzusetzen oder immense, bis dahin in Hohenheim unerreichte Summen an Drittmitteln einzuwerben.
Margarete von Wrangell, seit ihrer Heirat mit ihrem Vetter Fürst Wladimir Andronikow im Jahre 1928 Fürstin Andronikow-Wrangell, war allerdings nur wenig Zeit gegeben, die Ernte ihrer wissenschaftlichen Laufbahn einzufahren. Im Oktober 1931 veranlasste sie ein chronisches Nierenleiden, von dem sie sich nicht mehr erholte, vom Dienst fernzubleiben. Sie starb am 31. März 1932 55-jährig im Stuttgarter Katharinenhospital.